Calfornia en Yy f en
RECEIVED BY PURCHASE JULY 29, 1909
FROM
DR. GUSTAV HAMBACH
LLLLES. PV.0LLI-
Eee ae y
[2
. - r .
DIE AZOREN
AUSSEREN ERSCHEINUNG NACH IHRER GEOGNOSTISCHEN NATUR
GEORGE HARTUNG.
MIT BESCHREIBUNG DER FOSSILEN RESTE R 1,9 VON L Ö Vi RE Bas Pror. H. G. BRONN.
H/L F
NEBST EINEM ATLAS, ENTHALTEND: NEUNZEHN TAFELN UND EINE KARTE DER AZOREN.
a en
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
1S60.
Reiseskizzen.
Der meteorologische Process... .
Die Pflanzenwelt.
verinseln nach ihrer seosnostischen Nafur betrachtet.
. Allgemeine geologische Erörterungen.
. 2. Berichte über die Ausbrüche und Erdbeben seit Entdeckung des Archipels.
. Die ln Reste von Santa Maria, der südlichsten der Azorischen Inseln, | untersucht und beschrieben von Dr. H. G. Bronn. AR Geologische Beschreibung der einzelnen Inseln. Santa Maria mit den Formigas- Riffen. Bao NMiouel.. . , 5 Terceira. : Graciosa . Saö Jorge. Bieo. . Faial. Corvo.
1ljores. ..
.- . . . . . . . . . “ . . . .
F. _ v7 ri v b. Ueber das Vorkommen von Felsarten, die nicht zu ar % 5 x J a = * Fa Par E Frzeugnissen gehören. rm ra
sc. Nachweis, dass auf den Azoren an den entsprechenden Oertli keine oberflächlichen Kalkablagerungen der Art stattgefunden | wie sie auf Madeira, Porto Santo und in den Canarien E
beobachtet worden. sind... x... 0 Sa D6schlusstolgerungen:” ........... 2 =... 227 ae Br
Beschreibung der Tafeln... .... . v2... 2... nen =
£ u Pi] x # .r = © r” a > #% » i
Vorrede
Schon vor mehreren Jahren ward mir das Glück zu Theil, in der Gesell- schaft des Hrn. Prof. Heer aus Zürich ein halbes Jahr auf Madeira zuzubringen. Während des Zusammenlebens mit diesem berühmten Gelehrten und geistvollen Naturforscher, der bei einer höchst einnehmenden Persönlichkeit in hohem Grade anregend und belehrend auf seine Umgebungen wirkt, musste ich mich mächtig angezogen fühlen von den wunderbaren Naturerscheinungen, welche jene Insel in so reicher Fülle darbietet. Wenn ich zu einem andern Berufe erzogen mich bis dahin nur oberflächlich mit den Naturwissenschaften beschäf- tigt hatte, so ward jetzt der Wunsch rege, denselben mehr Zeit zu widmen und selbst Beobachtungen anzustellen. Während wiederholter Besuche in Madeira und Teneriffa wendete ich meine Aufmerksamkeit der Pflanzen- und Thierwelt und dann zuletzt mit entschiedener Vorliebe den geologischen Erscheinungen jener Inseln zu. Allein theils weil mir die nöthige Einsicht und Vorkenntnisse fehlten, theils weil wirklich andere Verhältnisse obwalteten, wollte es mir nicht gelingen, unter strengster Beibehaltung der durch den grossen v. Buch an Palma und Teneriffa aufgestellten Theorien , den inneren Bau von Madeira zu deuten und zu schildern. Um diese Zeit reiste Sir Charles Lyell nach Madeira, und ich hatte wiederum das Glück, diesen grossen Geologen und Forscher während seiner Ausflüge auf dieser Insel, auf Teneriffa, auf Grande Canaria und Palma zu begleiten und von demselben an Ort und Stelle in seine Lehre von den Vulkanen eingeführt zu werden. Da sich mir bei dieser Gelegenheit viele neue
Gesichtspunkte eröffnet hatten, bereiste ich in dem darfuffolgenden Jahre die
vI Vor re die,
Insel Madeira nochmals, wo es mir gelang, zu den noch nicht völlig abgeschlosse- nen Beobachtungen einige Nachträge zu liefern, die Sir Charles Lyell in einer Arbeit über Madeira und die Canarien aufnehmen will, die er später zu ver- öffentlichen gedenkt. In demselben Winter machte ich während des Februar und März einen Ausflug nach den Inseln Lanzarote und Fuertaventura, deren geologische Verhältnisse ich in dem XV. Band der neuen Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaf- ten (Zürich 1857) beschrieb. | In dem vorliegenden Band sind die Beobachtungen mitgetheilt, die ich von Mitte April bis Ende August 1857 auf den Azoren anstellte. Bei der eng
zusammenschliessenden, im Folgenden ausführlicher geschilderten Pflanzen-g
decke, bei den in dem weitläufigen Archipel zeitraubenden Meeresfahrten und bei den unvollkommenen Verkehrsmitteln muss die Zeit von 4% Monaten dem
reichhaltigen Material gegenüber unverhältnissmässig kurz erscheinen. Alleın
wenn die Ueberfahrten zwischen den Inseln zusammengerechnet im Ganzen
über 3 Wochen in Anspruch nahmen, so fügte es sich so glücklich, dass ich
nie auf eine Gelegenheit warten durfte; wenn bei den Verkehrsmitteln die Reise zu Lande nur langsam von Statten ging, so begünstigte dieser Umstand die Beobachtung von Erscheinungen, die überall auf einem verhältnissmässig geringen Flächenraum zusammengedrängt vorkommen; und wenn endlich die zusammenschliessende Pflanzendecke und die Abwesenheit tiefer Schluchten den Forschungen hindernd in den Weg traten, so verlieh dagegen die genauere Kenntniss des innern Baues von Madeira und anderen Inseln selbst oberfläch- lichen Beobachtungen Bedeutung. Oder mit anderen Worten ich darf die Zeit, die ich vorher unter der Leitung Lyell’s oder allein dem Studium des geologi- schen Baues von Madeira, Porto Santo und der Canarien gewidmet hatte, bei den auf den Azoren angestellten Untersuchungen um so mehr ebenfalls in Anschlag bringen, da diese Inseln im Allgemeinen übereinstimmende Verhält- nisse darbieten. Die einzelnen Thatsachen, die sich an den verschiedenen Gebirgsmassen der drei Inselgruppen nachweisen lassen, ergänzen sich über- haupt unter einander. Wenn namentlich die Insel Madeira bei den gewaltigen Thälern und tiefen Schluchten, in welchen die mächtige Gebirgsmasse der Länge und Breite nach blosgelegt ist, die beste Gelegenheit darbietet, den innern Bau
der vulkanischen Berge zu erforschen, so lässt sich hingegen auf den Azoren
Vor rede. VII
die Uebereinstimmung zwischen den jüngern und ältern Laven , zwischen den an der Oberfläche abgelagerten und den darunter anstehenden vulkanischen Erzeugnissen, viel vollkommener verfolgen und nachweisen. Die auf diesen Inseln gemachten Erfahrungen erklären manche Erscheinungen, die in den andern Archipelen nicht so deutlich hervortreten, ebenso wie die tieferen Schichten der hier zu beschreibenden Gebirgsmassen erst durch Uebereinstim- mung mit den bei Madeira obwaltenden Verhältnissen zu deuten sind. Die letz- teren, die Sir Charles Lyell ausführlicher in einer Arbeit zu schildern gedenkt, habe ich nur in soweit erwähnt als dieselben bereits im Manual of Geology, "London 1855 dargelegt sind. Und überhaupt habe ich mich bemüht, die geolo- Aagischen Verhältnisse so zu schildern, wie sie sich einem unbefangenen Beob- achter darstellen, der durch vorhergegangene zur Sache gehörige Studien darauf - eingeübt wurde, diejenigen Punkte, die besondere Beachtung verdienen, zu berücksichtigen. — Durch Lyell’s Ansichten angeregt strebte ich überall danach, den innigen Zusammenhang zwischen dem innern Bau und der Oberflächen- gestaltung der vulkanischen Gebirge zu erforschen. Um die letztere in ihren Einzelheiten möglichst anschaulich schildern zu können, füge ich der Beschrei- bung ausser den Durchschnitten eine Reihe von Ansichten bei, die bei mangel- hafter künstlerischer Ausführung, wenigstens in ihren Umrissen, die Berg- formen der Wahrheit getreu wiedergeben. Ohne es zu wagen, auf theoretische Streitfragen einzugehen, oder nach den auf diesen Inseln gesammelten Erfah- rungen andere Vulkane erklären zu wollen, habe ich am Schlusse diejenigen Folgerungen angedeutet, die sich aus der Summe der mitgetheilten Beobach- tungen auf die Entstehung der vulkanischen Bergmassen der Azoren ziehen lassen.
Was die petrographische Beschaffenheit der Laven betrifft, so ist dieselbe so mannichfaltig und eigenthümlich, dass ich es mir bei den mir zu Gebote stehenden mineralogischen Kenntnissen nicht erlauben möchte, ein entschei- dendes Urtheil zu fällen, und es daher vorzog, die Ansicht von rühmlichst be- kannten Autoritäten einzuholen. Zuerst hat Herr Prof. G. Leonhardt die Güte gehabt meine Sammlung durchzusehen und mir seine Ansicht mitzutheilen. Dann verdanke ich Herrn Prof. G. Rose die Bestimmung vieler Handstücke, sowie Herrn Prof. Bluhm Mittheilungen und Herrn Prof. Bunsen die Analysen
verschiedener auf $. Miguel vorkommender Laven. In Folge dieser mir von
vIII Vorrede.
andern Seiten zu Theil gewordenen Unterstützung sehe ich mich in den Stand gesetzt, die auf den Azoren vorkommenden Laven, nachdem ich sie mit allen in den mir zugänglichen Sammlungen enthaltenen vulkanischen Erzeugnissen verglich, mit Bestimmtheit zu beschreiben. Die Art und Weise, in welcher die sämmtlichen älteren und jüngeren Laven des Archipels aufgefasst sind, und die Benennung, unter welcher eine bestimmte Gruppe eingeführt ist, habe ich gemäss der eigenen an Ort und Stelle gewonnenen Anschauung gewählt und überlasse es dem Leser zu urtheilen, in wie weit diese von anerkannten Auto- ritäten vertretene Ansicht durch die eigenthümlichen Lagerungsverhältnisse bestätigt wird. Ausser den genannten Herren bin ich namentlich Herrn Prof. Bronn zu grossem Dank verpflichtet, da er nicht nur die von mir auf Santa Maria gesammelten fossilen Conchylien zum Gegenstand einer besondern Arbeit machte, sondern auch diese letztere in dem vorliegenden Bande abdrucken liess.
Der in den Vordergrund tretenden geologischen Beschreibung habe ich einige die äussere Erscheinung der Inseln betreffende Schilderungen voran- geschickt. Die klimatischen Verhältnisse, die bisher in den Beschreibungen des Archipels nur flüchtig angedeutet waren, liessen sich in Folge der in Horta auf Faial angestellten Beobachtungen bestimmter darlegen. Dagegen war die Flora dieser Inseln aus den Arbeiten des Dr. Seubert und Mr. Watson hin- länglich bekannt. Gestützt auf die bereits lange veröffentlichten Thatsachen habe ich es versucht, die Pflanzenwelt der Azoren nach eigener Anschauung so zu schildern, wie sich dieselbe darstellt, wenn wir sie mit der Pflanzendecke von Süd-Europa, der Madeira-Inseln und der Canarien vergleichen. Die Fauna, über die ich nur wenig hätte sagen können, habe ich ganz unberücksichtigt gelassen, da die beiden Zoologen Mess. Morelet und Drouet, die mit mir gleich- zeitig die Azoren bereisten, diesen bisher vernachlässigten Abschnitt der
Naturgeschichte des Archipels in besonderen Arbeiten behandeln werden.
T.
Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
1. Reiseskizzen.
Di. Azoren besuchte ich von Madeira aus. Dort war ich im December angelangt mit der Absicht vor Ausgang des Winters nach S. Miguel zu fahren, wo Ich mit der Untersuchung der Küstenstriche beginnend, sogleich bei an- brechendem Frühjahr zu den Ausflügen auf die Hochgebirge und nach den übrigen Inseln bereit zü sein gedachte. Allein die über die Witterungsver- hältnisse des Archipels eingezogenen Nachrichten veranlassten mich die Reise etwas aufzuschieben, und dann musste ich bis Mitte April auf eine Schiffs- gelegenheit warten, die indessen, wie es sich später auswies, zu keinem ge- eigneteren Zeitpunkte hätte eintreffen können. :Wer die Azoren zu durch- forschen sich vornimmt, thut am besten, im Laufe des Monat März entweder über London oder über Nantes nach Lissabon zu gehen, um dort abzuwarten bis ein Fahrzeug nach S. Miguel, Terceira oder Faial segelfertig ist. Denn die Zeit von Mitte April bis Mitte September ist entschieden die geeignetste um die Inselgruppe zu sehen, während vorher sowie nachher Wind und Wetter dem Reisenden Hindernisse bereiten, die je nach Umständen schwer oder gar “ nicht zu überwinden sein dürften.
Am achten Tage unsrer Reise weckte mich der Steuermann noch vor Son- nenaufgang um mir 8. Miguel zu zeigen. Ich stieg aufs Deck. Gerade vor uns erhob sich eine langgestreckte Insel, noch in die Morgennebel gehüllt, aus dem durch eine heftige Brise aufgeregten Meere. Graues Gewölk umhüllte die 3000 Fuss hohen Bergmassen im Osten und Westen und dazwischen erstreckte sich ein flacher nur einige hundert Fuss hoher Bergrücken mit einer Kette jener eigen-
Hartung, Azoren, $ l
2) Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
thümlichen , Maulwurfshaufen vergleichbaren Hügeln, die von den unterirdi- schen Feuern aufgeworfen werden. Obschon 8. Miguel so nahe, verging doch der grössere Theil des Tages , che wır das Land erreichten. Der Wind, der bisher so günstig war, wchte uns jetzt über den flachen Theil der Insel entgegen, an
dessen südlicher Abdachung die weissen Häusermassen der Haupt- und Hafen-
stadt Ponta delgada am Ufer ausgebreitet lagen. Rastlos fuhr das Schiff nit.
veränderter Stellung der Segel hin und her durch das aufgeregte Meer, welches
das düstere eilig über unsern Häuptern fortsegelnde Gewölk abspiegelte; und
als endlich der Anker hinabglitt, war Mittag lange vorüber. In einiger Ent- fernung von uns schaukelten grössere und kleinere Fahrzeuge, zerrten unruhig an ihren Ankerketten und schwangen wild ihre nackten Masten hin und her. Auf unserm Schiff wurden indessen die im Winde flatternden Segel an den Raen befestigt und vom Ufer her kletterten ein paar Boote mühsam über die
schäumenden Wogen hinweg. So erscheint gewöhnlich die Rhede von 8. Miguel,
welche der schönen Orangen wegen im Winter von zahlreichen Fahrzeugen
aufgesucht wird. Es ist dies kein leichter Dienst und jeder Seefahrer vermeidet
gern, wenn es angeht, die Inselgruppe, die zwischen dem 37. und 40. Grade nördlicher Breite gegen die Mitte des Oceans vorgeschoben, selbst im Sommer wiederholt von bösen Wettern heimgesucht wird. Doch dann sind die Stürme nur von kurzer Dauer; im Winter aber toben sie wochenlang und thürmen Wogen auf von solcher Höhe und Gewalt, wie sie in Madeira nur ganz aus- nahmsweise vorkommen. Um diese Jahreszeit halten Wind und Wetter den Schmuggelhandel in Schranken und hemmen überhaupt den in leichten Yachten betriebenen Verkehr der Inseln, der als ich anlangte nur kürzlich wieder be-
gonnen hatte Für grössere Fahrzeuge, die auf offenem Meer den heftigsten
Stürmen trotzen, sind dann nur die steilen Felsenufer und die Klippen, unter °
diesen aber besonders die Formigas gefährlich. Diese kleinen auf Tafel I Fig. | und 2 angedeuteten, theils verborgenen, theils sichtbaren Felsen liegen über eine grosse Fläche verbreitet zwischen S. Miguel und Sta. Maria, und fordern immer von Zeit zu Zeit ihre Opfer. In Folge solcher Gefahren ist der sonst so blühende Handel mit Orangen nicht unbeträchtlichen Schwankungen unter- worfen. Denn nicht selten müssen die Schiffe schleunigst ihre Anker kappen, um die heftigen S. und SW. Stürme auf freiem Meere während 10, in Aus- nahmefällen sogar während 27 Tagen austoben zu lassen. Dadurch aber ver- zögert sich das bei dem stets unruhig bewegten Meere an und für sich schon mühsame Befrachten der auf offener Rhede gelegenen Fahrzeuge, und zwar mitunter so schr, dass der grössere Theil der Ladung erneuert werden muss. Durch wiederholte Verluste belehrt, denkt man jetzt ernstlich daran, dem beinah allen vulkanischen Inseln eigenthünnlichen Mangel eines sichern Hafens mit grossen Greldopfern abzuhelfen.
er
1. Reiseskizzen. D
Den Verkehr in dem gebirgigen Ländchen vermitteln Esel, Maulesel und Maulthiere. Nur in Ponta delgada und auf den ebenen Wegen der nächsten Umgebungen werden vielfach Wagen benutzt, die wie im Mutterlande in Lissabon in Form und Bespannung die eigenthümlichsten Gegensätze bieten, da man neben eleganten Halbwagen, Broughams und Gigs, die auf Patent- achsen einherrollen und mit schönen Pferden bespannt sind, auch von Maul- thieren gezogene Fuhrwerke erblickt, deren Formen ein halbes Jahrhundert überdauert haben. Bei Ausflügen nach dem Innern der Inseln wird der Reisende auf Mauleseln nicht viel anders als ein Stück Gut fortgeschafft. So sass auch ich am folgenden Morgen der Landessitte gemäss auf einem dicken Packsattel seitwärts mit herabhängenden Beinen, während der Führer das Thier mit einer langen Pike vor sich her durch die Strassen trieb. Gleich hinter der Stadt betraten wir einen breiten sauber gehaltenen Weg, den Steinmauern von 15 bis 20 Fuss Höhe einfassten. Ueber diese hinaus ragten die dunkeln immer- grünen Bäume, mit welchen man mässig grosse mit Orangenstämmen bepflanzte Vierecke umgiebt, um sie vor den heftigen Winden zu schützen. Geöffnete Thore oder Eisengitter gestatteten die Aussicht auf freundliche Landhäuser mit grünen Jalousien und auf hübsche Gärten mit frischen Rasenplätzen, bunten Blumenbeeten und saubern Kieswegen. Neben prächtigen Magnolien trieben hier unsere Akazien die ersten Blüthenrispen und neben der reife Früchte tragenden japanischen Mispel blühten die europäischen Obstbäume; aber die exotischen Gewächse, die in den Gärten von Madeira prangen, standen ent- weder in kleinen Formen in geschützten Ecken oder gar in Gewächshäusern. So ritten wir wohl eine Meile im Schatten des dunkeln Laubes zwischen Oran- senhainen und Gärten fort, dann ward es lichter und wir zogen durch sorg- fältig eingehegte und fleissig bestellte Felder, die endlich im Mittelpunkte der Insel saftigen mit Kühen, Schafen und Ziegen besetzten Weiden Platz machten. Dort erstieg ich den höchsten Hügel, der gerade im Mittelpunkte der Kette emporragte. Die Rundsicht begrenzten nach Osten und Westen domförmige Gebirge, nach Norden und Süden die weite Wasserfläche des Meeres und da- zwischen breitete sich von Meer und Bergen eingerahmt eine eigenthümliche Landschaft aus. Zu beiden Seiten stiegen die Ausbruchskegel wie riesige Maul- wurfshügel über dem Boden empor. Noch starrten in den meisten die geöffneten Krater, während Fichtenwäldchen oder Laubgebüsche die Gipfel krönten, Grasflächen die Abhänge bedeckten und grüne Weiden die Lavenströme an ihrem Fusse bekleideten. Die ganz sanft abgedachten Berggehänge überzog nach abwärts bis zum Meer eine wahre Musterkarte kleiner eingehegter, bunt abschattirter Felder. Dazwischen hindurch erstreckten sich wie Waldpartien die aneinanderstossenden, mit immergrünen Bäumen durchwirkten Orangen- haine, aus welchen hier und dort kleine Landhäuschen hervorleuchteten,, und
ji * {
4 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
an den Küsten lagen die Hauptstadt und zwei kleinere Orte, zogen sich die Häuserreihen gedehnter Kirchspiele zu beiden Seiten der Landstrasse entlang. Der Anblick der Landschaft erinnerte an die lachenden Gefilde Süddeutsch-
lands, wie sie ın der Rheinebene zu den Füssen des Reisenden ausgebreitet
liegen, aber er bot auch ein characteristisches Bild jener vulkanıschen Berg- :
formen, die in verschiednen Breiten als Inseln aus der unabsehbaren Fläche des Oceans emporragen. Die Vegetation der Azoren trägt schon viel entschiedner
als diejenige der Madeira - Inseln und der Canarien das Gepräge nördlicher
Breiten. Jene in tropischer Ueppigkeit entwickelten Pflanzenformen , ‚welche
die beiden letztgenannten Archipele auszeichnen, treten hier der Zahl wıe dem Umfange nach nur in verJüngtem Maassstabe auf. Dagegen erlangt neben ihnen der üppige Krautwuchs in Feldern und Grasflächen eine so allgemeine Ver- breitung, dass eine vollkommen geschlossene Pflanzendecke entsteht. Durchschnittlich sind die Gebirgsmassen der Azoren nur halb so hoch als die Madeiras und der Canarien. Einen Ersatz für die grossartigeren Formen und die wunderbar wildromantischen Landschaften bietet die anmuthige Sce- nerie der weiten von hohen Ringmauern umgebenen Kraterthäler, die in diesem Archipel so häufig vorkommen. Der anmuthigste von allen ist entschieden der Kessel der sieben Städte — a Caldeira das sete eidades — der gleich den übrı- gcn durch vulkanische Explosionen auf .dem Scheitel einer Bergmasse ausge- sprengt ward. Völlig kreisrunde, zwischen 800 und 1500 Fuss hohe Umfassungs-
wände umgeben mit ihren Abstürzen ein Thal von beinah 3 Minuten im,
Durchmesser, welches man am besten vom südlichen Rande A von
wo aus auch die Ansicht Tafel V. aufgenommen ist. Rechts im Vordergrund.
ist ein mächtiger 'Trachytfels "mit senkrechter Wand stehen geblieben, auf dessen Gipfel die unterirdischen Feuer zwei kreisrunde Krater aussprengten. Drei andere Krater gähnen aus abgestumpften Aschen- und Tuffkegeln , die sich im Grunde des 'T'hales erheben. Dieses mag in früheren Epochen nach stattgehabten Ausbrüchen mit seinen starren Felswönden, seinen Laven und Aschenmassen manchmal das Bild einer grauenhaften Verwüstung gewährt haben, die der Gegenwart nur die Formen als Unterlage einer anziehenden lachenden Landschaft hinterliess. Zwischen der ‚senkrechten Trachytwand und einer bewaldeten Hügelkette erstreckt sich ein blauer malerisch ausgebuchteter
Landsee, der im Mittelgrunde an der schmalsten Stelle überbrückt ist, und
sich im Hintergrunde zu einem weiten Wasserspiegel ausdehnt. An seinen
‚Ufern liegt das Herrnhaus mit dem Park, erhebt sich die Kirche mit dem Doppelthurm, breitet sich das Dörfchen.aus. mit den bescheidnen, von grünen Bäumen beschatteten Hütten. Anmuthige Waldpartien bedecken die Aschen-
hügel und ziehen sich durch den bebauten Thalboden; selbst an den Um-: fassungswänden reichen die Felder bis an die Abstürze hinauf, die wenige .
Be
l. Reiseskizzen. i 5
starre Felswände ausgenommen in dem feuchtwarmen Klima ebenfalls ein grüner _ Pflanzenwuchs bekleidet.
Einen ganz-anderen landschaftlichen Eindruck gewährt die Lagoa do Fogo, von welcher auf Tafel VI. eine Ansicht gegeben ist.
Man gelangt dahin von Süden aus auf einem rauhen Pfade am Rande einer Schlucht, die mehrere prächtige Wasserfälle bildet und oben in zwei mäch- ‚tigen Felswänden endigt. Zwischen beiden ist der Raum mit Schutt und Tuft- massen erfüllt, die ebenfalls nach Norden einen halbrunden Wall bilden und so mit den Felsen auf einer Höhe von beinah 2000 Fuss einen Krater einschliessen, der über eine Minute lang, aber nur halb so breit ist. Eine Urkunde schildert den gewaltigen Ausbruch, der im Jahre 1563 einen Theil von dem Gipfel des alten Monte Volcaö fortsprengte und an der Stelle den weiten Krater hinter- liess. Auch hier erinnern nur die Umrisse an die fürchterliche Katastrophe in der Geschichte der vulkanischen Insel. Ueppiger Graswuchs und dichtes Ge- 'büsch der eigenthümlichen Lorbeer-, Haidekraut- und Heidelbeerarten , sowie ‘die zierlichen zehn Fuss hohen Wachholderbäumchen überwuchern Alles bis _ auf senkrechte Felswände und die nackten Schuttmassen, die der Regen beinah so wie die Sändsteine der sächsischen Schweiz malerisch durchfurchte.. Da- zwischen mitten inne erfüllt ein See den alten Kraterboden bis in seine kleinen Buchten hinein. An den einsamen Ufern herrscht tiefe Stille, nur unterbrochen durch das schrille Geschrei der Möwen , die vom Meere heraufkommen und den in allen Seen des Archipels einheimischen Goldfischen nachstellen. Die ‘ klaffende. Schlucht, durch welche man tief unten das Meer erblickt, und die "mächtigen Felsen, die am See emporragen, würden ohne diesen mit dem gäh- nenden Krater eine wilde Hochgebirgslandschaft darstellen. Jetzt aber blicken grosse und kleine Bergzacken freundlich auf die ruhige, heiter glänzende Wasserfläche herab, wie auf einen Liebling, den sie droben feın von den Wohnstätten der Menschen gemeinsam in ihrer Mitte hegen.
Den Glanzpunkt von S. Miguel bildet das herrliche auf Tafel VII darge- stellte Thal von Furnas mit seinen merkwürdigen heissen Quellen und Bädern. Durch die Einwirkungen des Feuers der Erdtiefen und des Wassers des Dunst- kreises ist hier im Laufe der Jährhunderte ein kleines Paradies entstanden, das bescheiden seine mannichfaltigen Reize auf einem Raum von weniger als 4 . Minuten Länge und 3 Minuten Breite entfaltet. Betrachten wir dasselbe vom Nordrande, so breitet sich‘ rechts wiederum ein blauer See aus, in welchem sich schroffe Felswände und bewaldete Abhänge spiegeln. Ganz im Vordergrunde sieht man über die Felswand gebeugt, wie im See eine heisse Quelle aufwallt neben vegetationslosen rauchenden Ufern und einem von aufsteigenden Dämpfen gebleichten Absturz. Links liegt der bebaute und bewohnte T'halboden. Die über 1000 Fuss hohen Gebirgswände sind von Spalten zerrissen und senden
ee 2 -
6 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Schluchten einschliessende Vorsprünge in das Thal, in welchem überall Hügel aneinandergereiht oder vereinzelt emporragen. Unter diesen alten Feuerbergen zeichnet sich ein niedliches Mondgebirge aus. Ein Hügel von ein paar hundert Fuss erhebt sich in einer Ebene, die ein kreisrunder Wall von entsprechender
Höhe einfasst. So sind in dem Thale eine Menge anmuthiger Thälchen und
romantischer Punkte auf den kleinstmöglichsten Raum zusammengedrängt und gewähren eine reichhaltige Auswahl von lohnenden, den Kräften eines Bade- gastes angemessenen Ausflügen.
Ungefähr in der Mitte, wo die Häuser am dichtesten bei einander stehen, gewahrt man hinter einer leichten Erhebung des Bodens die weissen Rauch- säulen der berühmten Caldeiras. Diese nehmen dort einen Umkreis von etwa 500 Schritt ein, und durch dieses Gebiet hat sich der Gebirgsbach, einen Hügel umgehend, hindurchgearbeitet. Heisse Dämpfe und siedendes Wasser entwei- chen durch unzählige grössere und kleinere Oeffnungen aus dem umgewan- delten oder zu weissem Schlamm zersetzten Gestein der Anhöhe und des Thales, ja sie steigen sogar aus dem Flussbette an die Oberfläche des munter daher- rauschenden Baches empor. Die grösste Wassermenge siedet 2 Fuss stark und 3 Fuss hoch empor. Nur ein paar Schritte davon wallt ein bläulich grünes, glanz- und schaumloses Wasser mit grosser Heftigkeit in einem natürlichen Kessel von 12 Fuss Durchmesser und fliesst über den Rand nach dem Gebirgs- bache ab. Den Boden ringsum machen die heissen Dämpfe so schlüpfrig, dass man sich behutsam der siedenden Wassermenge nahen muss, in welche vor längerer Zeit ein unvorsichtiger Spanier hinabglitt. Eine nicht sehr dicke Wand trennt diesen Kessel von dem schauerlichen Pedro Botelho - Sprudel. Im Grunde einer nischenartigen Höhle kocht dort ein bläulich grauer Schlamm in einer Oeffnung von 10 Fuss Länge und 5 Fuss Breite. Unaufhörlich wallt und brodelt die schwere Masse mit dumpfem Getöse, bespritzt ringsum die Wände, hat aber nirgends einen sichtbaren Abfluss. Nach einem fest einge- wurzelten Volksglauben soll, sobald man einen Stein in die Oeffnung wirft, der erzürnte Sprudel mit verstärktem Getöse heftiger aufbrausen, eine Er- scheinung, die in einer der Schriften, welche diese Oertlichkeit behandeln, sogar bestätigt wird. Allein es kann sich Jeder leicht überzeugen, dass selbst mächtige Feldsteine nicht mit Sicherheit die erwartete Wirkung hervorrufen, die bald darauf von selbst eintritt, weil das nie unterbrochene Kochen in Zwi- schenräumen mit verstärkter Heftigkeit stattfindet. Ausser diesen Hauptquellen schiesst hier der Dampf wie aus dem Rohre einer Dampfmaschine hervor, bahnt er sich dort ruhig einen Weg durch das zersetzte Gestein, während das siedende Wasser bald heftig hervorspritzt, bald über kleinen runden Löchern Blasen bildet oder ruhig aus der in einer Spalte verborgenen Oeffnung hervor- quillt. Man darf in dem Gebiete nur ein Loch graben, gleich steigt heisser
ENT
I. Reiseskizzen. 7
Dampf auf, sammelt sich siedendes Wasser am Boden. Deshalb stellen die Landleute grosse mit Yamswurzeln oder Kartoffeln gefüllte und mit Farrnkraut bedeckte Körbe in solche künstliche Oeffnungen und holen nach ein paar Stunden die gekochten Feldfrüchte heraus. Es müsste ein erhabenes Schauspiel sein, wenn die ganze Wasser- und Danıpfmenge, die jetzt aus einer grösseren Fläche entweicht, durch eine einzige Oeffnung hervorgepresst würde. Aber
auch wie es eben ist, wo in jedem Augenblicke zahllose Blasen platzen, wo es
‚ringsum ohne Unterbrechung dampft, brodelt, zischt, wallt und sprudelt, macht
das Ganze einen eigenthümlich grossartigen Eindruck. Doch können wir dem Padre Fructuoso, dem ältesten Beschreiber des I'hales, keineswegs beistimmen, wenn er die wunderbare Oertlichkeit eine Hölle nennt. Die freundliche Um- gebung mildert zu schr das Dämonische der Naturerscheinung. Ein üppiger Pflanzenwuchs fasst das von heissem Dampf und siedendem Wasser durch- drungene Gebiet ein, zwischen den erhitzten Stellen wachsen hier und dort Pflanzen und kleine Sträucher ruhig fort und die rauchende Anhöhe selbst krönt üppiger Graswuchs und dichtes Gebüsch. Da der Boden überall fest und zugänglich ist, schreitet der Besucher unbesorgt zwischen den kochenden Quellen einher und auf dem Dorfwege ziehen Menschen und Vieh gleichgültig durch den rauchenden Umkreis über den Steg, unter welchem der Dampf des abfliessenden Wassers aufsteigt. In angelegten und natürlichen Rinnen rieselt ringsum das dampfende Wasser nach den Badehäuschen und in den Gebirgs- bach. Dieser nimmt weiter unten noch die Ergüsse von zwei weniger ergiebi- gen heissen Quellen auf, und mündet, nachdem er eine tiefe und wilde Schlucht durchlaufen, mit erhöhter Wärme als Ribeira quente (heisser Bach) am Meere aus.
Sobald in einem Lande der Fremdenverkehr zunimmt, wachsen überall wie durch Zauber Gasthöfe empor, aber in demselben Maasse verschwindet bei der überhandnehmenden Oultur die Gastfreundschaft, die, wie manche wild wachsende Blume, die Abgeschiedenheit liebt. Gerade deshalb treffen wir sie noch in ihrer ganzen naturwüchsigen Ueppigkeit auf den Inseln, von denen jede für sich inmitten der unermesslichen Wasserfläche eine kleine Welt dar- stellt. Wer diese aufsucht, wird als seltene Erscheinung freudig begrüsst und gastlich aufgenommen, und wer dort seinen festen Wohnsitz hat, der findet auf derselben oder auf einer benachbarten Insel stets einen Gastfreund, der ihm mit Freuden sein Haus öffnet und der später als Besuch ebenso mit offnen Armen empfangen wird. Darum giebt es im ganzen Archipel nur an fünf Orten Gasthäuser; im Badeorte Furnas, in den Häfen von 8. Miguel, Terceira, Faial und Flores, aber selbst da können sie bei dem geringen und unregel- mässigen Verkehr kaum bestehen. Sobald ich in 8. Miguel angelangt war, machten der Landessitte gemäss mehrere Herren mir dem Neuangekommenen
8 - Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
den ersten Besuch, um mir ihre Hülfe bei den Ausflügen anzubieten. Von den Einladungen begrüsste ich die des Herrn Antonio Borges da Camara Mideiros mit grosser Freude. Wir fuhren die Hälfte des W eges auf einem ebnen Wege bis an den Fuss ‚des Gebirges, wo die Maulesel unsrer harrten, um uns nach dem stattlichen Herrnhause im Kraterthale von Sete Cidades zu tragen. Dort weilte ich eine ganze Woche. Nach den Ausflügen des Tages fand ich an einer reichbesetzten ausgesuchten Tafel die angenehmste Gesellschaft und Nachts ruhte ich auf einem Springfederbette. So bequem hat es der Reisende nur selten auf diesen Inseln, wo.er sich gewöhnlich mit dem Unentbehrlichsten begnügen muss, weil eben die Fortschritte der Cultur, die im Mutterlande auf Lissabon beschränkt sind, auch hier nicht über einen eng gezogenen Kreis hinausreichen. Wer nur die Hauptorte des Archipels oder solche Oertlichkeiten besuchen will, an welchen er in wohleingerichteten Landhäusern gastliche Aufnahme findet, der kommt mit einem einfachen Reisekoffer aus, wer aber andere Zwecke ver- folgt und die Inseln unbekümmert um bequeme Nachtlager nach verschiednen Richtungen durchstreichen will, der bedarf eines mannichfaltigeren Reise- Apparates. Die Art und Weise, in welcher ich die Azoren bereiste, will ich jetzt dem Leser in einzelnen mehr ausgeführten Schilderungen vorführen, die gleichzeitig einzelne Streiflichter auf den Character des Volkes werfen, das diese kleine Inselwelt.bewohnt.
Nach einem achttägigen Aufenthalte in dem herrlichen Thale verliess ich Furnas, um den östlichen sehr gebirgigen ‘Theil von 5. Miguel zu durchstrei- fen. Voraus schritt der Führer, der nicht nur alle Wege, sondern auch alle Dörfer kannte, in welchen er mir Nachtlager ausmitteln sollte. Dann folgten drei Männer mit den kleinen Maulthieren, die ich für mich, für. den in Madeira angenommenen Diener und für .das Gepäck gemiethet hatte. Wenn ich den kleinen Zug überschaute, wunderte ich mich anfangs, dass ich die Kräfte von fünf Menschen und drei Maulthieren in Anspruch nehmen musste... Allein es | wächst gewöhnlich das Gefolge des Reisenden in demselben Grade, als die Ge- gend, die er durchstreift, entlegen ist; und wer in civilisirten Ländern reist, wird gar nicht mehr gewahr, wie viel Dienstleistungen er stündlich in Anspruch nimmt, weil sie ihm bei der Arbeitstheilung in so kleinen, der Beachtung ent- gehenden Dosen verabfolgt werden. -Ich führte eine Feldküche und ein Feld- bette. Die erstere war.sö einfach und tragbar wie das letztere, welches zusam- mengepackt einen Bündel Stäbe von 3 Fuss Länge und %, Fuss Durchmesser darstellte, während es aufgestellt als Lager, eine Sackleinwand darbot, die über zwei zusammenklappende Stangen genäht war und durch Kreuzhölzer 2 Fuss hoch über dein Boden gehalten wurde. Zu den angenehmsten Nachtquartieren gehörten die unbewohnten Landhäuser, die man mir an manchen Orten auf- schloss, und leerstehende Hütten oder Häuschen, die ich für einen oder für
1. Reiseskizzen. | 0)
ein paar Tage miethete. In den ersteren waren Hausgeräthe und Mobiliar bis auf ein paar Tische und Stühle unter Verschluss; in den letzteren fand ich nichts als die leeren Räume, die mein Diener, während ich die nächste Um- gebung durchstrich, mit dem Nothwendigsten ausstattete, das er sich in den benachbarten .Hütten zusammenborgte. Ausserdem übernachtete ich mit den Landleuten in ihren kleinen Hütten, in alten verfallenen Klöstern oder auch “ wohl wie in S. Matteus auf Pico in der Dorfschule. Wir hatten dort keine Mühe ‚ Tische und Bänke fortzuräumen, denn dieses zusammengesetzte Mobiliar ersetzte eine einfache über den Estrich ausgebreitete Binsenmatte, auf welcher, da es Sonntag war, die Töchter des Pädagogen mit ihren Nähzeu- gen.sassen. In solchen Gegenden erregte unser kleiner Zug kein geringes Aufsehen. Man lief aus den entfernteren Häusern auf. die Strasse, um den Frem- den und sein Gefolge in der. Nähe zu betrachten und sich dann in Vermuthun- gen zu.ergehen, was denselben so weit übers Meer nach dem entfernten Winkel gelockt haben könnte. Da ich überall Gesteinproben herunterschlug-und sorg- fältig einpackte, hielt man mich gewöhnlich für einen solchen, der Gold- und Silberminen oder Diamanten nachspürt. Denn wie im Mutterlande in Portu- gal, so herrscht auch hier der Volksglaube, dass das Gebirge werthvolle Metalle und Edelsteine beherberge, und dass, da es im Lande leider an Kenntnissen und Mitteln fehle, .Fremde herüber kommen müssten um dieselben aufzufinden und aufzuschliessen. Zuweilen brach eine Gruppe in laute Ausrufe der Ver- wunderung aus, sobald ich ein paar Worte portugiesisch sprach, während es immer hin und wieder Leute gab, die mit solcher Beharrlichkeit die Möglich- keit einer Verständigung mit dem Fremden bezweifelten, dass sie sich erst nach mehrfachem Zureden meiner portugiesischen Begleiter entschlossen, auf ‘ das zu hören was ich ihnen sagte. Andere dagegen schwatzten mit der. Unbe- fangenheit und Zungengeläufigkeit von Kindern, als ob es sich von selbst ver- stehe, dass jeder Fremde ihre Sprache rede, oder als ob es überhaupt nur eine Sprache in der Welt gebe.
Es war an einem Sonntag als ich mich auf abschüssigen Pfaden durch eine wilde Gebirgsgegend im äussersten Osten der Insel hindurch arbeitete. . Ich selbst ging zu Fuss, aber das Saumthier musste geduldig seine Last weiter tragen. Der Wegweiser und der Treiber hatten indessen ihre Noth, das hier, _ indem sie.es unter betäubendem Geschrei am Kopfe und Schwanze zogen, über die jähen Abhänge hinweg und durch die unwegsamen Gebirgsbäche hindurch zu bringen. Der letztere hatte schon öfter frommen Pilgern ihr Gepäck durch diese von Lastthieren selten durchstreifte Gegend geschafft. Denn da es sich Manche als Busse geloben,, in den sämmtlichen Kirchen und Kapellen gewisse Gebete zu verrichten , so macht von Zeit zu Zeit ein Zug von zehn bis zwanzig Personen eine Rundreise um die Insel. Am Abend langten wir nach einem
10 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
beschwerlichen Tagemarsche in dem Orte Nordeste an, wo wir von Neugieri- gen umringt auf der Strasse harrten, bis der Führer einen Bauer brachte, der uns nach seiner Wohnung führte. Derselbe war mit grosser Sorgfalt gekleidet. Auf dem Kopf trug er einen braunen Filzhut, die blaue Tuchjacke sass gut, aus der schwefelgelben Weste sah das fein gefältelte von blanken Knöpfen zusammengehaltene Hemde hervor und das buntgestreifte anschliessende Bein- kleid fiel auf ein paar enge glänzend schwarze Schuhe herab. Die Wohnung bestand in einem Steinhäuschen, das etwa 20 Fuss im Quadrat maass. Zu dem einzigen Raum, den es enthielt, führte von seitwärts eine unverhältnissmässig grosse Steintreppe. Den Estrichboden bedeckten einen Fuss hoch stark rie- chende Binsen, die zwei scheibenlosen Fensteröffnungen schlossen hölzerne Läden, zwei grosse polirte Betten, ein Kasten, ein roh gearbeiteter Tisch, ein paar Stühle machten das Mobiliar aus, und an der weissgetünchten Wand prangte ein Crucifix. So sah die Stube ganz stattlich aus und zeichnete sich durch Reinlichkeit und Ordnung vor den gewöhnlich von Schmutz starrenden Hütten aus, in welchen die wenigen Betten, der ärmliche Hausrath und die rohen Ackergeräthe so bunt durch einander liegen, dass sie eher Schuppen oder Ställen als menschlichen Wohnungen gleichen. Die Frau dieses Hauses, welche eine Taille von meergrünem Krepp, ein weisses Kleid und durchbrochene Strümpfe trug, entliess soeben einen Besuch mit den folgenden verbindlichen Worten : ‚‚Senhora Annita, Sie wollen schon fort! ? wie gütig Sie waren mich zu besuchen! kommen Sie ja bald wieder und haben Sie Dank, vielen Dank.“ Dann bezog sie das Bett mit frischen Leintüchern, die mit einem handbreiten spitzenartig gewebten Rande eingefasst waren. So bekundet hier auch die ärmste Klasse .bei der ihr eigenthümlichen insularen Natürlichkeit ihre Ab- stammung aus der iberischen Halbinsel durch die angeborene und darum un- gezwungene Art, mit welcher sie die äusseren Formen handhabt, und durch die grosse Genügsamkeit im Genuss von Speise und Trank. Selbst in den grössten Dörfern giebt es keine Schänke, keinen Krug, sondern nur den sogenannten Estanco, der dem kleinsten Orte nicht fehlt, wo er dann aus einem Vorrath des beliebten Rauch- und Schnupftabacks, von Salz und etwas Branntwein besteht, der in dem Winkel irgend einer ärmlichen Hütte aufgestellt ist. Dagegen trifft man selbst in den entlegneren Gegenden wider Erwarten Kramläden, in wel- chen billige von auswärts eingeführte Stoffe neben den Monopolen Salz, Taback, Schiesspulver und Seife feilgeboten werden. Als man mir Abends das Häus- chen überliess, dessen Insassen sich in eine erbärmliche leer stehende Hütte zurückzogen, fand ich von Lebensmitteln nichts als zwei grosse Maisbrode. Nach Feldfrüchten, Milch und Butter hatte ich vorher vergebens gefragt, selbst Mehl war nicht da, denn als mein Diener es verlangt hatte, war der Mann
fortgegangen um es von Andern zu holen und um zuzusehen, wer ein Huhn
u
I. Reiseskizzen. 11
oder ein paar Eier zu verkaufen hätte. Doch fehlt es deshalb keineswegs an Feldfrüchten, da der Archipel und namentlich S. Miguel jährlich nicht unbe- deutende Massen ausführen. Es machen nur die Genügsamkeit und das milde Klima Vorräthe entbehrlich. Die Basis der Nahrung bildet das schwere Mais- brod, das wer nicht daran gewöhnt ist nur mässig geniessen darf. Ausserdem wird die Yamswurzel, die Kartoffel, die Kresse, die Zwiebel, der Kohl und Anderes vom Felde zur Bereitung jeder Mahlzeit herbeigeholt. Ist diese been- digt, so ist auch der Vorrath erschöpft, und ist die Jahreszeit für eine Feldfrucht vorüber, so wird sie auch nicht mehr genossen. Dazu kommt, dass im Lande niemals Lebensmittel zu kaufen verlangt werden und dass jeder in ächt colo- _ nialer Weise nur darauf bedacht ist, sich das Wenige, dessen er für sein Haus _ bedarf, zu beschaffen. Da ich nicht so wie die Eingebornen von Yamswurzeln und Maisbrod leben mochte, ward es mir aus allen diesen Gründen oft schwer, die nothwendigsten Lebensmittel für mich und meinen Diener und etwas Mais für die abgetriebenen Maulesel zu beschaffen. Dies war namentlich auf einigen Inseln der Fall und kam mir anfangs um so auffallender vor, da man bei der Rundreise auf allen einen ziemlich dicht mit Ortschaften besetzten Gürtel blühender Felder durchwandert. So konnte ich z. B. in dem Hauptorte der Insel S. Jorge während zwei Tagen kein Huhn auftreiben und als der Sonn- abend herankam, war, obschon zwei Stück Jungvieh geschlachtet wurden, auch nicht ein Pfund Fleisch zu kaufen, weil die Kunden Alles in Beschlag genom- men hatten.
Als ich die östliche Hälfte von S. Miguel durchstreift hatte und nach beinah dreiwöchentlicher Abwesenheit nach Ponta delgada zurückkehrte, erfuhr ich, dass eines der kleinen Fahrzeuge, die den Verkehr zwischen den einzelnen Inseln vermitteln, segelfertig sei, und zwei Tage darauf am Sonnabend vor "Pfingsten schiffte ich mich bei hereinbrechender Nacht nach der 11 Meilen entfernten Insel Santa Maria ein. Die Yacht Tres amigos, welche 35 Last (70 Tuns) Tragfähigkeit hatte, schaukelte in ziemlicher Entfernung vom Lande, unruhig an ihren Ankern zerrend, auf den vor einem sehr frischen Winde eilig dahinrollenden Wellen. Während 30 Stück Jungvieh eines nach dem andern an den Hörnern aufgewunden und dann in den Schiffsraum herabgelassen wurden, richteten sich 52 Landleute jeden Alters und Geschlechts, bei den Geläute der Festglocken, das vom Lande ruhig und gemessen über das bewegte Meer herüberschallte, lärmend auf dem beschränkten Raume des Decks für die Reise ein. In der Kajüte war man indessen beschäftigt, auf dem Boden zwischen den drei Verschlägen, der etwa 10 Fuss im Quadrat maass, Kisten und Kasten unterzubringen , auf welchen man später die Matratzen von 4 Reisenden aus- breitete. In dem engen Raum, in welchem man nicht aufrecht stehen konnte, lagen sieben bevorzugte Passagiere so dicht an einander wie Neger auf einem
12 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Sclavenschiffe, während mein Diener sich unter der Leiter in dem letzten noch leeren Winkel zusammenkauerte. -Als wir nach einer unruhigen Fahrt am folgenden Tage gegen Abend bei Santa Maria anlangten ‚ raffte ich mich von der Seekrankheit und aus der dumpfen Kajüte auf, um die Insel zu sehen. Welch einen Anblick bot das Deck! Zwischen Kisten, Fässern, Körben und Schiffstauen lagen, sassen oder standen überall Deckpassagiere, 'so dass. die Matrosen sich nur behutsam hin und her bewegen konnten. Nicht eine Spanne Raum war frei gelassen ; auch in dem Boote und unter seinen aufsteigenden Böschungen hatte man sich Lagerstätten zurechtegemacht. Dazwischen mitten in dem bunten Durcheinander kauerte der Koch vor der kleinen Küche, in wel- . cher das Feuer auf einer Steinunterlage von einem hölzernen oben offnen Kasten umgeben brannte. Am Steuer standen bei dem Kapitain die, welche nicht von der Seekrankheit litten, rauchten , schwatzten und scherzten unbekümmert um das Leiden der Uebrigen.. Hier lag auf einer Binsenmatte eine ganze Familie, Vater, Mutter und drei kleine Kinder, dort ruhte der Kopf eines 14 jähri- gen Mädchens in dem Schooss der Mutter, die matt mit geschlossenen Augen an der Schiffswand lehnte; andere lagen in den verkrümmtesten peinlichsten Stellungen auf den Dielen, Männer standen mit erdfahlen Gesichtern an den Masten und über die Schiffswandungen beugte sich. Dieser und Jener, während zwischen dem Aechzen und Stöhnen der Gepeinigten die Kühe aus dem Schiffs- raum dann und wann kläglich ihre Stimmen ertönen liessen. Ehe wir den Ankerplatz erreichten, mussten wir noch bis zum andern Morgen laviren. Ober- halb der kahlen Klippen lagen dort die weissen Häusermassen des kleinen Hauptortes auf einem schmalen, .durch Schluchten begrenzten Vorsprunge, an welchem. sich der Weg vom Strande aus. im Zickzack heraufwand. Auf die- sem stiegen die Menschen, das Jungvieh und die mit Gepäck und Waaren beladenen Esel in malerischem Zuge zu dem Zollhäuschen empor, das von schwindelnder Klippe den Landungsplatz überwacht und jetzt während man- cher Stunde der Schauplatz strenger Nachsuchungen war. Glücklicherweise hatte das Wetter die Landung begünstigt, aber schon am folgenden Tage stei- gerte sich der Wind so sehr, dass das leichte Fahrzeug, um nicht an die Klip- pen geschleudert zu werden; den Anker hob und während 4 Tagen auf offnem Meer umherirrte. Die Gefahr ist keine eingebildete. Innerhalb der 4% Monate, die ich auf dem Archipel zubrachte , strandeten drei dieser kleinen Fahrzeuge bei S. Miguel. Glücklicherweise hatte man nur-in einem Fall den Verlust von Menschenleben zu beklagen, und während zwei der Schiffchen an den Felsen zerschellten, hoffte man das dritte von dem sandigen Strande wieder flott zu machen. Es kann für die Bewohner eben kein tröstlicher Gedanke sein, dass sie auf ıhren kleinen Inseln selbst von den nächsten Nachbarn durch so be-
trächtliche Strecken eines stürmischen Meeres getrennt sind. Allein von J ugend
k
I. Reiseskizzen. 18
auf an das Meer und an seine Gefahren gewöhnt, fahren sie darauf in ihren kleinen Fahrzeugen mit derselben Ruhe, mit welcher wir Nordländer in unsern Schlitten über die zugefrorenen Gewässer dahingleiten. Dagegen erregen ihnen die Schilderungen der Eis- und Schneemassen , die im Norden monatelang das Land bedecken, dasselbe Grauen, das den Bewohner des Binnenlandes unwill- kührlich bei dem Gedanken an eine Scereise anwandelt.
Bei unsrer Ankunft in Santa Maria war einer meiner Reisegefährten mit der diesen Inselbewohnern eigenthümlichen Zuvorkommenheit ans Land geeilt und hatte mir ein kleines leer stehendes Häuschen gemiethet, in welchem mein Diener, nachdem er es mit geliehenem Geräthe nothdürftig ausgestattet hatte, während des durch den Sturm etwas verlängerten Aufenthaltes die Wirthschaft führte. Bei der Rückfahrt nach S. Miguel befanden sich nur 17 Deckpassagiere an Bord der Yacht, die schwer beladen’ kaum zwei Fuss aus dem Meere hervor- ragte. Aber dafür standen 29 Ochsen und Kühe dicht gedrängt auf dem Deck, welches ausser ihnen ein Kalb, eine Ziege und grosse Körbe voll Hühner und Enten so erfüllten , dass die Matrosen nur über das Schiffsgeländer vom Bug- spriet zum Steuer gelangen konnten. Glücklicherweise war das Wetter nach- dem es sich ausgetobt hatte entzückend schön geworden. Von einem Ruderboote _ hinausgeschleppt, bewegte sich das Fahrzeug vor einem leichten Lufthauch kaum merklich weiter, sanft geschaukelt von dem majestätisch auf und nieder wallenden Elemente, dessen spiegelnde Oberfläche das Licht des Vollmondes in beweglichen Schlangenlinien wiederstrahlte. Die kleine lärmende Welt hatte sich indessen auf den paar Balken und Brettern dem Schlaf in die Arme geworfen und schwamm nun stille inmitten der grossartigen Ruhe des Oceans. Deutlich tönte das schrille nächtliche Geschrei der Möwen von dem kleinen an der Küste gelegenen Felseneilande herüber und dazwischen erklangen die ‚schleppenden unmelodischen Weisen, in welchen der Mann am Steuer seine in Knüttelverse (Trovas) gebrachten Gedanken hören liess. Windstillen halten in diesen Breiten um diese Jahreszeit nie an. Schon am folgenden Morgen fing es an zu wehen und als ich mich zwei Tage später in einem schönen Schooner von S. Miguel nach Faial einschiffte, hatte ich wieder eine unruhige Fahrt,
die bei ungünstigem Winde drei Tage und drei Nächte -währte. Diesmal - schaffte uns die allmählich anwachsende Brise innerhalb 36 Stunden ans Ziel. Als wir uns Nachts bei düster umwölktem Himmel der Insel näherten, böt das Meer mit seinen leuchtenden Quallen ein überaus prächtiges Schauspiel. Oft sah ich wie das Mittelmeer von unzähligen mikroskopischen Thierchen leuch- _ tete, wie an den Dampfern der Kiel und die Schaufelräder von lichten Funken umsprüht und von einem Phosphorschein umgeben das flüssige Element zer- theilten und wie das Wasser, welches am Räderkasten hereindrang, mit leuch- tenden Pünktchen wie mit Silberflittern bedeckt, über das Deck abfloss. Hier
18 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
aber rollten majestätisch faustgrosse hell leuchtende Kugeln im Meer, drehten sich von den Schiffswandungen berührt und von dem fortgestossenen Wasser mitgerissen wirbelnd herum, oder verschwanden während andere an ihrer Stelle auftauchten. Auf der dem Winde abgekehrten Seite tauchte das Schiff so tief ein, dass ich über das Geländer gebeugt nur zwei Fuss unter mir deutlich die leuchtenden Formen der Quallen und selbst die Fangarme unterscheiden und sehen konnte, wie zuweilen der Phosphorglanz erlosch und wie das leuchtende T'hier sich scheinbar in ein Nichts auflöste. Nicht dauernd war dieser Anblick. In Zwischenräumen erschien das Meer dunkel. Dann aber tauchten erst ein- zelne leuchtende Kugeln auf, die bald darauf zu Dutzenden, ein Lichtmeer verbreitend, in buntem Durcheinander an dem schnell segelnden Fahrzeug vorüber zu rollen schienen.
In S. Miguel landeten wir erst am folgenden Morgen und schon Tags darauf segelte ein Schooner nach Faial, der eine Gelegenheit nach jener Insel zu gelangen bot, die, wie die Erfahrung lehrte, erst in vier Wochen wieder- kehrte. Am zweiten Tage der Reise lag die Insel Pico vor uns als ein gestreck- ter Höhenzug, auf dessen nordwestlichem erweiterten Ende ein abschüssiger Kegel wie eine riesige Landmarke emporsteigt, während auf dem oben abge- stumpften zuckerhutförmigen Gipfel ein spitzer Aschenhügel fast wie eine als Zeichen aufgethürmte Pyramide aussieht. Dieser majestätische auf Tafel XV. dargestellte Berg, der 7613 Fuss über dem Meere emporsteigt, überragt um das Doppelte die bedeutendsten Höhen der andern Inseln und wird deshalb in den Azoren, so wie der Pik von Teneriffa in den Canarien, mit Stolz als das Achtung gebietende Wahrzeichen der ganzen Gruppe betrachtet. Ihm gegenüber erhebt sich nur vier Minuten entfernt die Insel Faial gerade so als ob sie jenseits der Meerenge eine Fortsetzung des Pico-Gcebirges darstelle. Ihre Hauptstadt Horta gewährt vom Meere geschen ein gar anmuthiges Bild. In einer von zwei vor- springenden Landspitzen gebildeten Bucht ziehen sich die hellen Häuser- massen am Meere entlang und amphitheatralisch am Berge hinauf, wo sie mit Kirchen oder andern grossen öffentlichen Gebäuden und mit grünen Gärten abwechseln. In der Stadt dagegen fesselt den Blick des Fremden eine anzie- hende Marine - Landschaft, die grossartigste, die im Archipel geboten wird. Seitlich schliessen die Endpunkte der kleinen Bucht das Bild ab, in dessen Mitte der mächtige Berg von Pico so emporsteigt, dass er mit seiner breiten Basis den grössten Theil des freien Raumes erfüllt, während links in blauer Ferne das Gebirge von S. Jorge, rechts der auf dem Meere aufruhende Himmel den Hintergrund bilden. Fahrzeuge verschiedner Grösse beleben die Rhede und in dem Canal, der anscheinend die Breite des Genfer See’s hat, sieht man wie dort beinah zu jeder Tageszeit offene Boote mit ihren spitzen lateinischen
Segeln hinüber oder herüber fahren, während zuweilen die Wallfischfänger,
vr
”.
l. Reiseskizzen. 15
die nicht vor Anker gehen mögen, majestätisch mit aufgeblähten Segeln - hin und wieder kreuzen. Jenseits der schmalen Meerenge unterscheidet man deutlich an dem von einem weissen Schaumstreifen umgebenen Gestade die einzelnen Häuser und Kirchen mehrerer Kirchspiele und die Villen, welche sich die reichen Bewohner Faial’s drüben erbauten. Dunkle Lavenfelder, aus welchen vereinzelte oder an einander gereihte Schlackenhügel hervorragen, ziehen sich an den untern sanfter geneigten Abhängen hinauf, die weiter oben in düsterem Gewölk verschwinden, das gewöhnlich geheimnissvoll die wahre Gestalt des Berges verschleiert. Heitert sich aber am Nachmittage das Wetter auf, dann ragt gegen Abend der abgestumpfte Gipfel mit der pyramidenförmi- gen Zacke über dem Gewölk empor, das sich allmählich in einen schmalen Gürtel zusammenzieht und zuletzt verschwindend den kühnen, der breiten Basis aufgesetzten Kegel der scheidenden Sonne und dem Abendrothe ent- hüllt. Geht nachher der Mond auf und beleuchtet mit seinem Silberlichte die beweglichen Wellenspitzen , so steigen diese eigenthümlichen Umrisse wie ein riesiger Schattenriss aus dem blitzenden Meere empor und gewähren wie bei Tage ein characteristisches Bild der grossartigsten vulkanischen Bergform. Auch dort hat die anhaltende Feuchtigkeit in dem gleichmässig warmen Klima wie durch Zauber selbst auf den anscheinend so frischen vulkanischen Erzeug- nissen eine Vegetation hervorgerufen. Nur wenige Lavenströme liegen wüst und öde, und sind erst mit Moosen oder vereinzelten Pflanzen bedeckt. Auf den übrigen wurzeln Reben in der kaum zerfallenen Oberfläche zwischen losen Lavengeröllen, aus welchen man in Zwischenräumen von drei bis vier Schritten Mauern oder Wälle von drei Fuss Höhe aufgeschichtet und durch ähnliche Querwände verbunden hat. In solchen fachartig abgetheilten Weinbergen, die aneinanderstossend weite Flächen wie mit einem dunkeln Netzwerk überspan- nen, wächst der beste und meiste Failal-Wein, der seinen Namen wohl dem segenüberliegenden Hafen verdankt, aus welchem er verschifft wird. Die in diesem Gürtel gelegenen Dörfer gewähren einen düstern Anblick mit ihren aus der schwarzen Lava aufgeführten Hütten, Ställen und Einfriedigungen. Kaum hat man hin und wieder ein Stückchen dünne Erdkrume bebauen kön- nen, während vereinzelt kleine Feigen-, Zwetschgen- und Aprikosenbäume wachsen, die übrigens vortreffliche zeitig reifende Früchte liefern. Höher oben, wo die Weinberge aufhören, sind die zersetzten Schlacken und 'Tuffmassen mit Feldern bedeckt, oder durch mächtige Gesträuchformen bewaldet, und daran schliessen sich an der Grenze der herabhangenden Wolken saftgrüne Triften mit kurzem Rasen. Dort steigt der Reisende, der vor Tagesanbruch von der Küste aufbrach, von den Mauleseln und beginnt nach schnell beende- tem Frühstück den zuckerhutförmigen Berg zu erklimmen. Kein Fusspfad leitet seine Schritte oder erleichtert durch Windungen die beschwerliche
16 - Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Wanderung, auf. welcher er dem Führer folgt, der nur zuweilen nach rechts oder links biegend die wegsamsten Stellen aufsucht, sonst aber gerade auf den
Gipfel zusteuert. Obschon die Neigung nur zwischen 30 und 40 Grad schwankt,
so scheint der Abhang sich dennoch wie eine Wand vor dem Reisenden auf- zuthürmen ‚ der sich zwischen .dem dichten vom Nass der Wolken triefenden Gestrüpp durchzwängt. Diese grüne Decke reicht bis an den Gipfel hinauf und von allen Pfanzen hält das Haidekraut Norddeutschlands, die harte Calluna vulgaris am längsten aus. Mir war das Wetter nicht günstig. Die Wolken
zogen sich immer dichter zusammen -und ein feiner eindringlicher Regen
nöthigte mich auf halber Höhe umzukehren, nachdem ich die wulstförmigen
Lavenströme, die aus bronzirten Schlacken senkrecht aufgethürmten Feuer-. essen und die tiefen Spalten des Berges betrachtet hatte. Bei günstigem Wet-
ter ist es indessen möglich, nach beendeter Besteigung Abends die Maulthiere
zu erreichen, um vor einbrechender Dunkelheit die böseste Strecke zurück- .
zulegen. Immer erfordert dieser anstrengende Ausflug die Zeit von 3 oder 4 Uhr Morgens bis 9 oder 10 Uhr Abends, weshalb es Viele vorziehn im Hoch- sommer bei schönem Wetter am Fuss des obern Kegels die Nacht am Feuer zuzubringen.
Leicht ist es dagegen, das Gebirge von Faial zu besteigen. Die Strassen der Stadt sind steil, aber schon in einer Höhe von ein paar hundert Fuss führt ein ebener Weg zwischen blühenden Gärten und freundlichen Landhäusern nach dem Dorfe Flamengos. In einer fruchtbaren sanft ansteigenden Ebene ward hier im Anfang des XVI. Jahrhunderts die erste Colonie von Flamlaen-
dern angelegt, die später vollständig in der portugiesischen Bevölkerung auf- gingen. Unmittelbar dahinter schwingt sich das Gebirge 3,000 Fuss hoch em-
por, aber es läuft nicht wie drüben in Pico in einen zuckerhutförmigen Gipfel aus, sondern bildet eine abgeflachte Bergmasse, auf deren Scheitel ein mächtiger Krater von 3 Minuten Umfang und 1000 Fuss Tiefe gähnt. Nur nach Süden
ragt der schmale kreisrunde Rand etwas höher empor, sonst umgiebt er mit‘
wunderbarer Regelmässigkeit den gewaltigen in den Felsen ausgesprengten Kessel, in dessen Tiefe der Reisende über den schwindelnden Abgrund hinab- sieht, sobald er auf den Mauleseln die Höhe des Gebirges erreicht hat. Nach rückwärts schweift der Blick über die mit Gebüsch bedeckten Abhänge, über die lachende Landschaft von Flamengos und über die blaue Meerenge näch dem Pik, dessen kolossale Umrisse aus dieser Höhe betrachtet ebenso ange- wachsen zu sein scheinen, als die weite Meeresfläche, aus der sie emporsteigen. Welch ein Gegensatz in den Bergformen! Die vulkanischen Kräfte, welche drüben auf dem älteren Unterbau Laven auf Laven zu einem riesigen Kegel -aufthürmten, haben hier in dem domförmig aufgeführten Gebirge ein mächtiges
Stück herausgesprengt, in dessen Umgebungen die hochaufgehäuften Trümmer
PerN
I. Reiseskizzen. 17
noch heute die Gewalt der Explosionen veranschaulichen. Doch muss man diese Beweise der Zerstörung unter der üppigen Vegetation hervorsuchen, welche die Grauen erregende Vertiefung mit einem grünen Teppich ausklei- dete. An den jähen Abstürzen ragen nur hier und dort nackte Felskanten aus dichtem dunkel gefärbtem Laube hervor und im Grunde erheben sich ein paar kleine mit Gestrüpp überwachsene Hügel aus grünen mit Schafen und Ziegen besetzten Grasflächen, zwischen welchen ein Teich seine binsenumkränzten Buchten ausbreitet. Selbst um Mittag, wo die hoch emporsteigende Sonne mit ihrer ganzen Lichtfülle in den Kessel hineinscheint, lassen die einander so nahe gerückten jähen Abstürze denselben noch enger und tiefer erscheinen, als er es wirklich ist; wenn aber des Abends tiefe Schatten den Grund in ein my- stisches Dunkel hüllen, dann gähnt der alte Krater, der anscheinend sich noch mehr zusammenzieht und tiefer hinabsenkt, vollends als ein riesiger un- heimlicher Schlund zu den Füssen des Beschauers.
Wenngleich Faial nicht so wie Madeira oder Teneriffa ein Stationsort für regelmässige Packetboote ist, so suchen dennoch in jedem Jahre viele Schiffe seine Rhede auf, die einen Zufluchtsort bietet für alle Fahrzeuge, welche in diesem Theile des Oceans etwas bedürfen. Segelschiffe wie Dampfer finden dort ein wohlausgerüstetes Arsenal und Handwerker, um die erlittenen Schäden auszubessern ; die letztern können ausserdem noch ihren erschöpften Kohlen- vorrath aus den dort angehäuften Lagern ersetzen. Die Bewohner Horta’s wissen deshalb stets von Schiffen zu erzählen, die mit genauer Noth ihrem Untergang entrannen, und wer die tragische Seite des Seelebens schildern wollte, der könnte hier reichhaltigen Stoff vorfinden. Sehr wichtig ist Faial ausserdem als Stationsort für die amerikanischen Wallfischfänger, die im Som- mer in grosser Zahl in der Gegend der Azoren den Pottwallen nachstellen. Auf jener Insel legen sie ihre bereits gefüllten Fässer nieder, um sie nach Amerika einschiffen zu lassen, während sie selbst zu Anfang des Winters nach den südlicheren Meeren aufbrechen um dort ihre Jagd fortzusetzen. Von der ärmern Klasse der Inselbewohner betheiligen sich viele, durch den Gewinn angelockt, bei diesem gefährlichen Gewerbe und die Amerikaner, die nicht selten mehr Mittel und Unternehmungsgeist als Arbeitskräfte besitzen, nehmen die seetüchtigen Bursche gern auf. Ueberaus häufig kommen in jenen Meeren die sogenannten Finnbacks oder Finnfische vor, die ich oft gesellig mit hoch aufgerichteten Rückenflossen vorüberschwimmen sah. Da dieselben wenig Thran liefern und schwerer zu erlegen sind, beachtet sie der Mann nicht, der auf allen Wallfischfängern bei Tage im Mastkorbe sitzt, sondern späht nach den seltneren Physetern, welche das werthvolle Spermaceti liefern. Obschon ich in
enen Meeren häufig in der Ferne die ausgestossenen Wasserdunstsäulen er- blickte, so sah ich doch nie einen dieser riesigen Meeresbewohner so in der
Hartung, Azoren. 2
18 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Nähe als dies bei der Abfahrt von Madeira der Fall war. Wir hatten am Abend vorher bei Funchal den Anker gelichtet und trieben nur vor einem ganz leich- ten Lufthauch kaum merklich weiter, als uns ein Wallfisch seine Nähe durch den beim Ausstossen des Wassers erzeugten Laut ankündigte, ein Laut, der dem Schnauben des Pferdes vergleichbar, so mächtig erschallte, dass man schon von ihm einen Schluss auf die riesige Grösse des Meerungeheuers ziehen konnte. Aus dem Nasloch, das fast wie das umgekehrte Ende einer Bierflasche aussah, fuhr das Wasser nicht in einem dicken Strahl, sondern wie eine in unzählige Tropfen zertheilte Säule empor, die sich oben pinienförmig gestaltet und aus der Ferne gesehen wie Rauch erscheint. Dann verschwand der Kopf und ein mächtiger Rücken hob sich viele Fuss hoch empor, von dessen heller und dunkler gefleckter Haut das Wasser nach beiden Seiten abfloss. Soschwamm der etwa 50 Fuss lange Wallfisch in flachen Bogenlinien in einer Entfernung von weniger als 100 Schritten zweimal am Schiffe entlang und verschwand dann in der Tiefe.
In der Stadt Horta zieht sich die Hauptstrasse am Meere entlang und zwar so nahe, dass die Bewohner bei den Stürmen des Winters an einzelnen Stellen mit aufgespannten Schirmen vorübereilen, während das in Tropfen zertheilte Meereswasser über die nächsten Dächer hinwegspritzt. Hier werden beinah in jedem Hause in den Räumen des Erdgeschosses allerhand Spirituo- sen feilgeboten und auf kleinen Holztafeln in englischer Sprache angepriesen. Mit stattlichen fusshohen Buchstaben kündigt sich dagegen ein grosses weiss getünchtes Haus mit grünen Fensterläden als Silva’s Hotel an. In seinen Mauern herrscht wie auf dem Meere Ebbe und Fluth. Die Bewegung im Hafen füllt und leert die einfachen aber freundlichen Räume, die von der amerika- nischen Hausfrau stets äusserst sauber gehalten werden. Wir nehmen heute Abend an der vereinsamten Wirthstafel unsern Thee im Familienkreise des Wirths ein und gehen dann zu Bette in dem vollkommen stillen und ruhigen Hause, das schon am folgenden Morgen einem aufgestörten Ameisenhaufen gleicht. Ein mächtiger Dampfer hat auf dem Wege von China nach England angelegt, um seinen geschmolzenen Kohlenvorrath zu erneuern, und die Passa- giere beginnen ihr 'Tagewerk am Lande damit, dass sie das Gasthaus über- schwemmen. Der Wirth und der einzige Aufwärter fliegen unablässig aus und ein, um den gestellten Anforderungen zu genügen, während die Hausfrau die zierlichen Strohstickereien auf dem Tisch ausbreitet. Auf der Strasse umlagert indessen ein bunter Haufe das Haus, um Körbe, Federblumen , Strohhüte, Früchte oder Dienstleistungen jeder Art in englischem Kauderwelsch anzu- bieten. Sobald ein Fremder an der Thür erscheint oder vom Hafen auf das Haus zugeht, dringen Verkäufer, Mauleseltreiber und Bettler auf ihn ein, so dass er sich einen Weg bahnen muss durch den lärmenden Haufen, in welchem
1. Reiseskizzen. 19
nur die Maulesel, welche sonst die Lasten hin- und herschleppen, jetzt aber Sättel oder weiche Kissen tragen, so theilnahmlos wie gewöhnlich die Fliegen von den langen Ohren schütteln.
In Horta hatte ich Maulesel für mehrere Wochen gemiethet, da ich die- selben in offenen Booten nach Pico und von dort aus nach 8. Jorge mitnahm. Kaum war ich von diesen Ausflügen zurückgekehrt, als eine kleine Yacht von nur 17%, Last (35 Tuns) Tragfähigkeit segelfertig war, um nach Graciosa, Corvo, Flores und von dort zurück nach Faial zu gehen. Um diese kleinen Inseln in wenig Tagen durchstreifen zu können, musste ich von den drei Wochen, welche die Reise in Anspruch nahm, 13 "Tage und Nächte an Bord und auf dem Meere zubringen. Nach dreimal 24 Stunden landeten wir auf der Insel Graciosa, die eine prächtige Caldeira und in dieser eine überaus merkwürdige Höhle besitzt. Um dieselbe zu sehen erstiegen wir das östliche Gebirge, das von allen Seiten domförmig über einer Grundlage von 2 Minuten im Durch- messer emporsteigt. Sobald wir den Gipfel erreichten, befanden wir uns am Rande eines tiefen länglich runden ringsum von jähen Abstürzen eingefassten Thales, von welchem auf Taf. XI. Fig. 1 eine Ansicht gegeben ist. Im Grunde breitete sich eine grüne Grasfläche über rundlichen Schlackenhügeln aus, um- säumte starre Felspartien und reichte an den Abhängen bis zu den dunkeln verbrannten Lavenschichten empor, die gleich wagrechten Leisten aus den Wänden hervortraten. Ueber einen der Hügel im Mittelgrunde der Ansicht gelangten wir auf eine Wiesenfläche, die sich im östlichen Winkel des Thales ausdehnte und dort stiegen wir 20 bis 30 Fuss tief in eine kleine Schlucht hinab, in deren Grunde sich zwei Schlünde von etwa 20 Fuss im Durchmesser öffneten. Vor dem einen steckte ein halbes Dutzend Pflöcke im Boden. Um diese befestigte der Führer ein Tau und liess es in den Abgrund hinab. Ein anderes schlang er sich mit einer weiten Schlinge unter den Armen lose um den Leib und stieg dann gleichsam in liegender Stellung aber in rechtem Winkel auf der senkrechten Felswand stehend mit gespreizten Beinen in den natür- lichen Schacht hinab, indem er sich mit den Händen an dem im Boden be- festigten Tau im Gleichgewicht hielt, während oben ein Mann das andere, auf das er sich mit dem Rücken lehnte, allmählich nachliess. In derselben Weise folgte ich nach; und wie ich so mittelst der oben geschilderten einfachen Vor- richtung ganz sicher an dem senkrechten Felsen entlang schritt, lobte ich im Stillen den natürlichen Tact, mit welchem die Eingebornen sich bei dem Mangel an Maschinen und Apparaten zu helfen wissen. In einer Tiefe von 70 Fuss landete ich auf einer spitzen Felszacke, machte mich von den Tauen los und kletterte über einen Haufen Gerölle in den Grund der auf Tafel XIII. darge- stellten Höhle. Anfangs sah ich bei dem Halbdunkel in der Nähe der Oeffnun- gen nur tiefe Finsterniss vor mir, aus der allmählich ein kolossales Gewölbe
> us
20 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
hervortrat, in dessen düsterem Hintergrunde ein bläulicher Wasserspiegel aus- gebreitet war. Am Eingang betrug die Breite 300 Fuss. Darüber stieg das Dach in kühnem Bogen 50 bis 100 Fuss empor und spannte sich in ähnlicher Weise über der Tiefe, welche über die doppelte Ausdehnung haben musste. So entstand ein Gewölbe, das seiner Form nach der einen Seite einer der Länge nach halbirten Eierschale glich. Dumpf erklangen unsere Stimmen in dem weiten Raum und ängstlich flatterten die aufgescheuchten wilden Tauben um- her, um durch die Oeffnungen zu entweichen. Ueber die mit schleimigen Algen bezogenen Bruchstücke, welche den nach dem Hintergrunde abgedachten Boden bedeckten, kletterten wir vorsichtig nach dem kleinen See. Unheil- drohend lag die glanzlose, massiv blau erscheinende Wasserfläche in dem Düster des Hintergrundes ausgebreitet, und kaum waren wir ıhr bis auf einen Stein- wurf nahe gekommen, als uns schon ein erstickender Schwefelgeruch nach dem Eingang zurücktrieb. Dort stiegen wir mittelst des Doppeltaues aus dem schwülen, dumpfen und mit Schwefeldunst erfüllten Verliess zu der geräumigen Halle des Bergdomes empor, in welcher kein Dach der frischen Luft und der hellen Sonne den Zutritt versperrte.
Die kleine Yacht hatte in Graciosa eine Ladung Dachziegel eingenom- men, die dort aus einem vulkanischen Thon gebrannt werden, und ragte nun kaum zwei Fuss aus dem Wasser empor. Ausserdem schifften sich 12 kräftige Bursche ein, um bei den in Flores anlegenden Wallfischfängern Verdienst zu suchen. Die Mannschaft ging baarfuss, trug eine ärmliche buntscheckige von fremden Matrosen entliehene Seemannskleidung und lebte von eingesalzenem Stockfisch und Kartoffeln, ein Gericht, das tagtäglich die beiden einzigen Mahl- zeiten ausmachte. Nach dem reichlichen Genuss dieser einfachen Kost trank je- der einen gewaltigen Zug von einem trüben übelschmeckenden Wasser und arbeitete nachher so rüstig wie ein Engländer oder Amerikaner, der seine reich- liche Fleischportion mit entsprechenden Massen Grog herunterspühlt. Nie sah ich eine Schnapsflasche, weder bei den Mahlzeiten noch in den Zwischenpausen; so nüchtern ist die Bevölkerung in dem Archipel, dessen wenige Trunken- bolde beinah ausschliesslich auf den Wallfischfängern oder in den Hafenorten im Verkehr mit fremden Matrosen ausgebildet werden. Einen guten Eindruck machten ausserdem die ungekünstelte Freundlichkeit und die zufriedene Hei- terkeit, mit welcher dieMannschaft unter sich gesellig verkehrte und den Mit- reisenden begegnete. Die angehenden ins Leben stürmenden Wallfischfänger traten zwar anfangs etwas zu forsch und laut auf, aber sie fügten sich bald, da sie sahen, dass der Ton nicht beliebt ward, mit jenem dem Südländer an- gebornen TTact, der herrschenden Schiffsordnung.
Dreimal war die Sonne bereits aufgegangen und hatte uns immer noch bei der centralen Gruppe angetroffen. Kaum waren wir während der Zeit
1. Reiseskizzen. J]
40 Minuten in einer falschen Richtung weiter gelangt und noch trennte ein Zwischenraum von 120 Minuten die Insel Flores von der Nordwestspitze von Faial. Als wir auf diese am Nachmittage etwas kleinlaut zusteuerten, um dann umlegend mit halbem Winde einen richtigeren Cours einzuhalten, ward zu einer Messe gesammelt, die man der heiligen Jungfrau für einen günstigen Wind gelobt hatte. Da ich annehmen musste, dass man hiebei auch auf meine Beisteuer rechnete, und da ich doch fürchtete die guten Leute als Eretico durch eine Gabe zu verletzen , bot ich schüchtern ein Silberstück, das man übrigens unbekümmert um meinen Glauben mit Freude begrüsste und zu den Kupfer- münzen in ein Tuch wickelte, welches hoch am 'Tauwerk befestigt ward. Die Stimmung an Bord ward noch gehoben, als der Wind gegen Abend frischer ward und mehr nach S.W. herumging. Auch während der Nacht steigerte er sich mit jeder Stunde, so dass wir immer schneller dahin segelten und am folgenden Morgen Flores so nahe kamen, dass die Mannschaft behauptete, sie könne die Insel sehen. Schwere Wetterwolken verhüllten den Himmel. Wo sie mit dem Horizont verschwammen, bemerkte man nach längerem Beobachten eine dunklere Stelle, die unverändert blieb und den kundigen Seefahrern das aus dem Wasser emporragende Gebirge andeutete. So düster wie der Himmel breitete sich auch die Meeresfläche aus, auf welcher die Wogen vom Winde gepeitscht in wilder Eile schäumend daher gerollt kamen, während die Sturm- vögel ihrer Gewohnheit getreu unserm Fahrzeug folgten, das noch immer ırit verkürzten Segeln, von Sturzwellen übergossen, in unruhiger Hast vor dem zum Sturm anwachsenden Winde floh. Bald mussten wir es jedoch aufgeben den Hafen zu erreichen und uns dazu bequemen das Wetter auf dem Meere austoben zu lassen. Vorn fuhr das hervorragende Bugspriet in die aufgethürm- ten Wassermassen, und tauchte dann knarrend unter beunruhigenden Schwan- kungen empor. Brausend kam der Wind daher und legte das Fahrzeug so auf die Seite, dass der untere Baum des hintern lateinischen Segels aufs Wasser schlug, welches dann ruckweise über das Geländer aufs Deck strömte. An dem andern Bord dagegen prallte die seitwärts daher rollende Woge dröhnend gegen die aus dem Wasser gehobene Schiffswand und schleuderte ihre schäu- mende Spitze über das Fahrzeug hinweg. Es war eine wilde unheimliche Scene und das Meer bot einen Schauder erregenden Anblick, wenn man es von dem kleinen tief eintauchenden Fahrzeug betrachtete, das bald zwischen zwei Wasserbergen im Abgrund sass bald auf den Gipfel einer Welle emporgehoben ward. Doch war nicht die geringste Gefahr vorhanden. Während ich in mei- nen Regenrock gehüllt mich festklammerte, besorgte die Mannschaft mit grossem Gleichmuthe das Beilegen und bewegte sich dabei mit überraschender Sicherheit auf dem schmalen Deck, das unausgesetzt unter gewaltigen Rucken seine Lage veränderte. Das Manöver besteht darin, dass man alle Segel ein-
32 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
zieht und nur am hintern Maste ganz unten ein kleines Stück Leinwand stehen lässt, welches so gerichtet wird, dass der, Wind nur wenig darauf drückt und hauptsächlich daran vorbei streicht. Dann bindet man das Steuer fest und überlässt das Fahrzeug sich selbst, das zwar seitlich nach rückwärts getrieben in jeder Stunde etwa eine Scemeile verliert aber dafür an Stetigkeit gewinnt und nicht willkührlich von den Wellen herumgeworfen werden kann. Von da ab vergingen viertel und halbe Stunden, ohne dass Wasser aufs Deck ge- schleudert wurde, während das Schiffchen durch die Stellung des Segels und Steuers gezwungen mit Erstaunen erregender Sicherheit in schräger Richtung scheinbar über die Wellen hinwegkletterte, die eigentlich unter demselben fortrollten, indem sie es unaufhörlich hoben und senkten. Am folgenden Mor- gen versuchte ich die Höhe der Wellen zu bestimmen. Da das gewölbte Deck am Rande zwei, in der Mitte drei Fuss aus dem Wasser hervorsah, ergab sich bis zu meinem Auge ein senkrechter Abstand von 8 Fuss, mittelst dessen ich die Erhebung der Wogen auf 12 bis 15 F. schätzte. Eine Wellenhöhe von 23 bis 26 F. ermittelte ich in derselben Weise während eines dreitägigen Sturmes in der Bay von Biscaya, an Bord eines mächtigen Dampfers, der 18 Fuss aus dem Wasser hervorragte. Jetzt trieben wir in dem stürmischen Bereich des Golfstromes vor einer der heftigen Luftströmungen, die sich dort eben so schnell erheben als sie reissende und steile Wogen mit zugeschärften Kämmen aufthürmen. In 24 Stun- den tobte der Sturm aus. Dann rundeten sich die Wellen allmählich oben ab und eilten ruhiger ihrem fernen Ziele zu, während unser Fahrzeug ein Segel nach dem andern entfaltete und nach dem Hafen steuerte. Aber ehe wir dort anlangten, vergingen noch zwei Nächte und ein Tag. Als ich am Morgen des achten Tages aus der Kajüte stieg, glitt endlich unser Fahrzeug bei heiterem Sonnenschein vor einer leichten Brise gerade auf die Insel Flores zu, die mit jähen Ufer- wänden aus dem beruhigten Meere emporstieg und von den mit tiefen Schluch- ten durchfurchten Abhängen den Wolkenmantel abstreifte, mit dem sie sich während des Sturmes umhüllt hatte. Auf dem Deck kauerten die zukünftigen Wallfischfänger behaglich um eine Zwiebelwassersuppe und schleuderten nach beendetem Frühmahl die grosse irdene Schale ins Meer unter lautem Jubel, in welchen die Mannschaft von ganzem Herzen mit einstimmte. Wie ein böser Traum lag die vergangene Woche mit ihrer peinlichen Windstille und dem aufregenden Unwetter hinter Allen, die sie auf. den paar schwankenden Brettern verlebt hatten.
Bei Flores ging das Fahrzeug nicht vor Anker, sondern setzte nach ein paar Stunden seine Reise nach Corvo fort, wo es früh am folgenden Morgen nach einer Fahrt von achtmal vier und zwanzig Stunden anlangte. Die Insel besteht nur aus einem Berg, der wie Tafel XVIII. Fig. 1 zeigt bis etwas über 2000 Fuss aus dem Meere emporsteigt. Auf dem abgestumpften Gipfel öffnet
1. Reiseskizzen. 33
sich ein Krater. An der Wetterseite ist unter dem Einfluss der heftigen Bran- dung ein hoher Absturz entstanden, der beinah bis an den Kraterrand hinan- reicht, während sonst die Abhänge erst in grösserer Entfernung von demselben in jähen Klippen endigen. Im Süden lehnt sich ein kleines Stück einer sanft ansteigenden Küstenbildung an den jähen Absturz und dort ist gegenüber der 10 Minuten entfernten Insel Flores das Dörfchen Rosario erbaut, das als der einzige Ort zwischen S und 900 Scelen umfasst. An Stelle eines Thores öffnete sich knarrend auf ihren Holzangeln eine Lattenthür am Eingang des Ortes, den eine enge Gasse als Hauptstrasse durchzieht. Sonst stehen die kleinen weissgetünchten Steinhäuschen mit ihren »bemoosten Ziegeldächern dicht ge- drängt um die Mistpfützen und die schmalen Durchgänge, in welchen Kinder, Schweine und Hühner in beneidenswerthem Wohlbehagen sich ihres Daseins erfreuen. In das stattlichere Haus des Distrikts- Verwalters, dessen Frau, den Luxus der Schuhe verschmähend, baarfuss ging, traten die Spitzen der Bevölkerung mit den Besuchenden ein. Obschon wir im Sommer des Jahres 1857 lebten, wurde dennoch der Friedensschluss in der Krimm als das neueste die Aufmerksamkeit beanspruchende Ereigniss in dem kleinen dem Treiben der Welt entrückten Kreise besprochen. Nachdem das einfache Frühstück inmitten von zahllosen Fliegenschwärmen beendet war, erstieg ich den Gipfel des Berges. An den niederen Abhängen waren die Landleute mit der Ernte beschäftigt, höher hinauf weideten ihre Kühe, Schweine und Ziegen. Schon früher hatte man mir von den Kühen Corvo’s erzählt, dass sie nur die Höhe eines grossen Hundes erreichen; jetzt sah ich ın der That einige, die kaum über 3 Fuss hoch bei seltenem Ebenmaasse in einer wahren Zwergform das Bild eines schönen Viehschlages darstellten. Wie eine Schüssel ist der regel- mässig ovale Krater bei einem Umfang von drei Minuten im Durchschnitt etwa 800 Fuss tief in den Berg eingesenkt. Eine gleichmässige dicht vermooste Grasnarbe, aus welcher Binsen aufspriessen,, bildet an den innern Abhängen einen Ueberzug, der das Wasser wie ein Schwamm einzieht und deshalb nur hier und dort leichte Regenrunsen entstehen lässt. Im Grunde umgiebt ein kleiner See malerisch neun mannichfach geformte Hügel, in welchen der älteste Geschichtschreiber des Archipels ein Modell der Inselgruppe zu sehen glaubte, das die Vorschung nebst einem mythenhaften mit der Rechten nach Amerika deutenden Steinbilde in dem beinah in der Mitte des Oceans empor- ragenden Eilande niedergelegt hatte. Noch heute wurzelt der Glaube an jenes Reiterbild, das der Geschichtschreiber Goes im Palaste zu Lissabon gesehen haben wıll, ebenso fest unter den Bewohnern Corvo’s als sie, ihrer Phantasie Spielraum gebend, ein Bild der neun azorischen Inseln in ver) üngtem Maass- stabe in ihrer Caldeira zu besitzen wähnen. Am andern Nachmittage war das Fahrzeug abermals segelfertig und ging nach einer durch Windstille verzögerten
24 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Fahrt um Mitternacht bei Flores vor Anker, wo ein Schneider sein geräumiges Haus den Wallfischfängern und anderen Fremden öffnet, die gelegentlich auf der Insel landen. Da die Yacht sich nur zwei Tage aufhalten sollte, erkaufte ich, um doch etwas von dem Gebirge zu sehen, der Abmachung gemäss eine Frist von 2 weiteren Tagen für 24 Dollars oder etwa 32 Thaler, und schiffte mich dann abermals nach der Insel Faial ein, deren Nordwestspitze wır diesmal bei günstigem Wetter in 24 Stunden erreichten. Der kürzlich überstandenen langwierigen Fahrt eingedenk, veranstaltete die Mannschaft für den bereits gewährten günstigen Wind abermals eine Sammlung zu einer Messe, zu wel- cher die der ärmerın Volksklasse angehörenden Reisenden bald bereitwillig, bald zögernd beisteuerten, während nur ein paar gar nichts gaben. Denn wir hatten diesmal zwar keine vollständige Ladung aber dafür, Weiber und Kinder mit eingerechnet, 57 Passagiere an Bord. Im Angesichte von Faial hielt uns abermals eine Windstille auf, so dass wir bei der um Mitternacht aufspringen- den Brise lavirend doch erst nach 36 Stunden iın Hafen anlangten.
Als wir am Morgen in Horta vor Anker gingen, erfuhr ich, dass noch an demselben Tage eine Brigg nach England segle, die auf ihrem Wege dahin in Terceira anlegen und daselbst 10 bis 14 Tage bleiben sollte. Wenn ich diese Gelegenheit wahrnahm, konnte ich auch die neunte Insel des Archipels durch- streifen, die letzte von allen die mir noch zu sehen übrig blieb. Drum weilte ich nur wenige Stunden am Lande und schaukelte am Abend schon wieder auf den Wogen, über welche unser Schiff vor einer leichten Brise dahin glitt. Bei Windstille und schwachem, bald günstigem bald ungünstigem Winde währte die Fahrt bei dem herrlichsten Sommerwetter 3 Tage und 3 Nächte, während welcher Zeit sich Gelegenheit bot, die Insel Terceira aufzunehmen, wie sie auf Tafel IX. Fig. 3 und 5 dargestellt ist. Das Gebirge, welches reich an interessanten geologischen Erscheinungen ist, bietet gerade keine besonders malerischen, sondern ziemlich einförmige Umrisse. Unmittelbar hinter dem Monte Brazil, einem ansehnlichen 'Tuffkegel, öffnet sich eine hufeisenförmig eingeschlossene Bucht, die einen zwar nicht sehr grossen , aber doch geräumi- gen Hafen darstellt, an dessen Ufern die ansehnlichen Häusermassen der Cidade da Angra do Heroismo, von einem Monument überragt, amphitheatra- lisch emporsteigen. Das Epitheton verdankt die Stadt den heldenmüthigen Thaten, durch welche sie so wie die ganze Insel sich während des Krieges gegen Dom Miguel auszeichneten. Terceira wurde früher als die vornehmste Insel betrachtet und Angra war als Sitz des Statthalters und der Autoritäten die Hauptstadt des Archipels. Allein das auf S. Miguel aufblühende Ponta delgada überflügelte durch seinen Wohlstand die alte Residenz, die jetzt, wo man die neun Inseln drei von einander unabhängigen Gouverneuren zuertheilt
hat, nur noch in Anbetracht der Vergangenheit die erste Stelle unter den Orten
l. Reiseskizzen. 35
der überseeischen Provinz beanspruchen kann. Und wenn auch Angra mit seinen Festungswerken, ansehnlichen Gebäuden, stattlichen Häusern und brei- ten Strassen entschieden am meisten das Gepräge einer colonialen Residenz trägt, so umfasst dagegen Ponta delgada mehr der Neuzeit entlichene gross- städtische Elemente. Denn gerade diese Stadt beherbergt die grösste Zahl reicher Personen, die wiederholt nach dem Auslande reisen, ihre Häuser mit Gemälden und Luxusgegenständen anfüllen, elegante moderne Equipagen hal- ten und von fremden Gärtnern herrliche Gartenanlagen ausführen lassen. Nachdem wir im Hafen vor Anker gegangen, liess die Visite erst lange auf sich warten und als sie in prunkvoll ausgestatteten Booten herankam, voll- zog sie was ihres Amtes war In einer gemessenen zeitraubenden Weise. Ebenso wurden wir im Zollhause durch strenge Beobachtung von Förmlichkeiten auf- gehalten aber mit ausgesuchter Artigkeit und Zuvorkommenheit behandelt. Als der französische Naturforscher Mons. Morelet und ich endlich im Gast- haus anlangten und den Wirth zu sprechen verlangten, liess uns dieser sagen, wir möchten warten bis er dinirt habe. Nach etwa drei Vıiertelstunden erschien er dann im Billardzimmer, wo wir seiner harrend bei unserem Gepäck sassen, warf sich die Cigarre im Munde auf ein Sopha und fing an uns über die Mee- resfahrt, den Zweck der Reise und dergl. auszufragen. Natürlich unterbrachen wir das unzeitige Verhör sehr bald durch die bestimmte Frage nach den un- besetzten Räumen des Hauses, auf die wir jedoch statt der Antwort den Be- scheid erhielten, dass wır in einem Zimmer schlafen würden. Das war mehr als wir zu ertragen gesonnen waren. Wir verliessen sofort das ungastliche Dach und gingen zum Consignatar des Fahrzeuges, der mit jener Zuvorkom- menheit, an die wir während unseres Aufenthaltes im Archipel bereits gewöhnt waren, uns sogleich begleitete, um eine leer stehende W ohnung aufzusuchen, die wir endlich in einer schmalen Strasse in einem kleinen Häuschen ausfindig machten. Sokam, bis der Diener Vorräthe einkaufte und eine Mahlzeit bereitete, der späte Abend des Tages heran, der, obschon wir früh im Hafen einfuhren, über dem Landen, Aufsuchen und Einrichten einer Behausung vollständig verstrichen war. Der angesehenste und reichste Grundbesitzer der Insel, der Graf von Bruges, dessen Vorfahren aus Flandern stammend im 15. Jahrhun- dert die Colonie begründeten, empfing uns überaus freundlich, lud uns zu einem Stiergefechte ein, das er auf seinem schönen bei der Stadt gelegenen Gute veranstaltete, und traf Vorkehrungen zu einer Rundreise um die Insel, auf welcher uns ein andrer Herr begleitete, um selbst für unsere Bequemlich- keit zu sorgen. Zur Ehre der gastfreien Bewohner dieser Insel und der ganzen Gruppe überhaupt muss ich hier anführen, dass wir nur in dem Gasthause von Angra über die Aufnahme zu klagen hatten; und auch in diesem Fall war nicht Unfreundlichkeit die Triebfeder des oben geschilderten Benehmens,
26 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
die vielmehr darin zu suchen sein dürfte, dass der Herr des Hauses seinen Gästen zu zeigen wünschte, dass er sich nicht als Gastwirth sondern als Gentle- man betrachtet wissen wollte.
Die Stadt Angra, welche mit ihren ansehnlichen Gebäuden und breiten Strassen, wie bereits erwähnt, die grossartigste des Archipels ist, hat auch sehr schöne Umgebungen. Während sich der Haupttheil am Berge hinaufzieht, verlieren sich die Vorstädte zwischen grünen schattigen Gärten, in welchen manche ansehnliche Landhäuser von jedoch meistens älterer Bauart liegen. Daran lehnt sich nach Westen zu ein Strich, der als Garridas bezeichnet wird und aus herrlichen Laubgehölzen besteht, die mit Orangengärten und Wein-
bergen untermischt sich am Gebirge hinauf erstrecken. Auf der anderen, der
nördlichen Seite der Insel bieten die Umgebungen von Agualva ein anziehen- des landschaftliches Bild. Der Ort liegt, mit zahlreichen Quellen ausgestattet, inmitten grüner üppiger Baumgruppen, an Schluchten, die von wasserreichen Gebirgsbächen durchströmt werden, und nach landeinwärts wechseln an den Abhängen Felder mit Laub- und Nadelgehölzen ab. Die Caldeira de Santa Barbara und der sogenannte Caldeira6 bieten weniger in landschaftlicher, als vielmehr in geologischer Hinsicht interessante Erscheinungen dar. Der letztere, welcher auf Tafel X. dargestellt ist, macht indessen bei seinem bedeutenden Umfang und mit der weiten von den Laven vollkommen geebneten Fläche einen überraschenden Eindruck. Die Ausflüge auf der Insel werden dadurch erleichtert, dass man gute Pferde zu miethen bekommt, die der Eigenthümer dem Reisenden, der für ihre Verpflegung und für einen Führer selbst sorgen muss, gegen Erlegung einer mässigen Summe überlässt. Auf manchen Inseln sind gar keine Thiere zu miethen, wie auf Flores, Corvo, Graciosa, Pico und S. Jorge. Auf die letzteren schaffte ich die Maulesel von Faial herüber, aber auch auf den andern ging ich nur selten zu Fuss, da mir die Grundbesitzer mit der gewohnten Bereitwilligkeit ihre kleinen Pferde oder Esel anboten. Die Maulthiere und Maulesel, die man im Archipel hält, sind nur klein, aber für ihre geringe Grösse stark und ausdauernd. Ihre Kräfte genügen bei der Be- schaffenheit der Wege, die vorherrschend nicht eben beschwerlich sind. Wo aber das Gebirge steiler ansteigt, da kommt der Reisende nur langsam weiter, oder er sieht sich genöthigt abzusteigen und zu Fuss hinauf zu steigen.
Als wir Terceira während etwas mehr als zwei Wochen durchstreift hatten, langte ein Schraubendampfer von Faial an, der in diesem Sommer seine zweite Reise zwischen den Azoren und Lissabon machte und nun über S. Miguel nach jener Stadt zurückkehrte. Am 23. August kamen wir in Ponta delgada an. wo wir bis zum 29. blieben und dann unsere Reise nach dem Festlande fort- setzten, das wir nach 4 Tagen und 4 Nächten erreichten. |
Somit hatte ich in dem Zeitraum vom 23. April bis zum 23. August, also
2. Der meteorologische Prozess. 27
innerhalb 4 Monaten, die sämmtlichen 9 Inseln insoweit nach den verschiednen Richtungen durchstreift, als mir ausser drei Viertheilen des Gebirges von Flores nur noch die äusserste Westspitze von Graciosa, das östliche Drittel von S. Jorge und das östliche Viertel von Pico zu sehen übrig blieben. Dass es mir überhaupt gelang in demselben Sommer an allen Inseln der Gruppe zu landen, habe ich nur dem Zufall zu danken, der es so fügte, dass ich nie auf eine Ge- legenheit warten durfte, um von einer Insel auf die andere zu gelangen. Wäre ich nur zwei Tage später von meinem Ausfluge in dem östlichen Theile von S. Miguel nach dem Hafen zurückgekehrt, so hätte ich die Insel Santa Maria entweder gar nicht sehen können, oder ich wäre von dort zu spät nach Ponta delgada zurückgekehrt, um die Gelegenheit nach Faial zu benutzen, die dann erst nach 4 Wochen wiederkehrte. Bei dem zwar regen aber sehr unregel- mässigen Verkehr zwischen den Inseln darf Niemand, falls die Dampfschiffe nicht ihre regelmässigen Fahrten fortsetzen sollten, mit Bestimmtheit darauf rechnen, die ganze Gruppe innerhalb eines Sommers zu sehen. Und wer sich dieses Ziel gesteckt hat, der sollte jede sich darbietende Gelegenheit wahr- nehmen, so unbequem sie auch immer sein und so viel andere man ıhm ın Aussicht stellen mag.
2. Der meteorologische Prozess.
Zur Beurtheilung des Klima’s der Azoren stehen uns nur wenige meteo- rologische Beobachtungen zu Gebote. Die ältesten wurden von Webster zu Ponta delgada auf S. Miguel während der Monate October 1817 bis März 1818 angestellt. Sie finden sich abgedruckt in dem folgenden Werk : Description of the island of S. Michael by John Webster, Boston 1821. Ausserdem entlehnen wir der Schrift: A winter in the Azores and a summer at the baths of Furnas by J. and H. Bullar, London 1841, Beobachtungen, welche während des Win- ters 1838/39 und des darauf folgenden Sommers zu Villa franca und Furnas aufS. Miguel angestellt wurden, und die Sir James Clark in seinem Werke „über den heilenden Einfluss des Klimas‘“ benutzte. Dem Buche von Bullar, das recht interessante Beschreibungen liefert, aber keineswegs erschöpfend ist oder auf Gründlichkeit Anspruch machen kann, entnehmen wir ausserdem noch die Angabe der mittleren Wärme für die Monate Mai bis November nach Beobachtungen des Thomas Blunt Esqu. S. Michael 1825. Und schliesslich habe ich die von Dr. Thomaz de Bettencourt zu Horta auf Faial angestellten meteorologischen Beobachtungen benutzt, deren Ergebniss in jedem Monate in dem daselbst erscheinenden Tagblatte abgedruckt wird.
28 . Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Die sämmtlichen auf den folgenden Seiten mitgetheilten Wärmegrade sind nach Celsius berechnet.
1) Websters Beobachtungen zu Pontadelgada auf S. Mi- guel, Winter 1817/18. Das Thermometer war an einem günstigen Platze 50 Fuss oberhalb des Meeresspiegels aufgestellt.
Mittel der Beobachtg. 2 ® | Während jeden S = = Monats beobachtet. Du um 7 um 2 um 10 3 | Mrgs. | Mittgs. | Abends |& 28 ASS achieN October is.7 | 21,3 717,7 | 19,2 120.72 oe November | 17,4 | 20,8 | 16,2 \as;1 , 9272| 15.0723 December | 14,4 | 17,4 | 12,7 | 14,8:| .20,0| 10,5 | 95 Januar 12,0. , 1459 210,2 |.12,3.) 26,6), 9,20 0 Mebruar...)|,12,0.| 14,7 | 10,5, 19.10 002 Sy März 16,1] 19,3 | 14,1 16,57 28,3 0m
2) Bullar’s Beobachtungen, angestellt zu Villa franca während des Winters 1838/39 in einer Höhe von 120—130 F. über d. Meere.
Mittel aus den Beobachtungen Mittel um 8 um 1 um 6 | um 10 ee Morgens Mittags N.Mittags Abends obachtungen
December 107 19 1151. Saal 13,8 Januar DD N 7 144 14,4 1545 Februar 17.2 18,8 I ala 16,4 März Emo SS 16,1 15,5 16,6 April 16,6 18,8.) 205,0 13,3 Mittel 15,6 1358. 2, Na ie 15,6
3) Bullar beobachtete im Thale von Furnas (600 bis 700 F. über dem Meere) vom 1. bis 5. Januar 1839.
Um S Uhr Morgens Um 1 Uhr Mittags Um I0 Uhr Abends a er Maxim. | Minim. | Mittel | Maxim. | Minim. | Mittel | Maxim. | Minim. | Mittel | Beobachtung.
Lu 5,3 10,2 14,4 | 12,2 | 13,3 | 12,2
10,0. it | 11,5
4) Bullar’s Beobachtungen, angestelltim Thale von Fur- nas (600 bis 700 Fuss über dem Meere) im Juni 1839.
| Mittel 8 Uhr Morgens 1 Uhr Mittags | 6 Uhr Abends 10 Uhr Abends aus neben- stehenden
| Beobach-
Maxm. | Minim.| Mittel | Maxm. | Minim. | Mittel | Maxm. |Minim. | Mittel | Maxm. | Minim. | Mittel tungen
20 15,5 17,7 [25,5 17,2|21,3|21,1\16,6 18,8 | 19,4 | 15,5] 17,4] 18,8
nn
2. Der meteorologische Prozess. 39
Wenn wir die Mittel aus den sämmtlichen an den einzelnen Tagen des Monats aufgezeichneten Beobachtungen berechnen, so stellt sich eine geringere mittlere Wärme heraus.
8 Uhr Morgs. 1 Uhr Mittags 6 Uhr Abends 10 Uhr Abds. Mittel des Monat *) Mittel 17,5 20,0 17,9 16,9 18,0
5) Thomas Blunt’s Beobachtungen. S. Michael 1825. Mai Juni Juli August September October November Die mittlere Wärme 17,2 18,3 21,1 22,7 2.1.6 19,4 16,6
6) Meteorologische Beobachtungen, angestellt von Dr. Tho- maz de Bettencourtzu Horta auf Faıal, 16 Meter oberhalb des Meeres.
Ergebniss, berechnet aus den an den sämmtlichen Tagen angestellten “ Absolutes Beobachtungen. hi | Maxim. Minim. | Unterschied | Mittel Maxim. | Minim. | Unterschied
Bisvember:1857 |. 17558.| 12,88 | 4,70 °| 15,23.| 22,7 9:8. 001989 December . . 15,985..18,29 4,69 118,63... 121855 8,2 1033 Januar 1858 . 16,34 - 11,14 5,20 13.74.:,.10:9, 2.7.0 12,6 Bebrudr.. . . 13599 10,63 9,02 19529 9,0 959 13,4 Bez... ... ı 17,36 115,54 5,32 14,45 2052 8,0 12,2 April PR en KA 12557 5,56 15,35 24150 9,8 E12 Bee ,)-20,83 | 14,44 6,39 17,63. .°25,5°181054 15,1 em... . 21,83 14,54 6,99 7834|. 24.0., 1155 12,6 Jw. ns 25,94 > 22622. 31,0 1358 1 August a 2, EIRIO 7 29508 30,2 17562; 231250 September 2.7 24,28 II 2A 7 6, 307552, 29 14,9 14,6 October . 22,29 17,33 5,66 20,16 | 285,0 12,6 15,4
Jahres-Mittel 17,39 | 31,0 | 5,9 25,1
Wir können endlich noch hinzufügen Bullar’s Beobachtungen für den Juni 1839 ım Thale zu Furnas Sta. Cruz Juni 1839 Unterschied Unterschied Tenerife —1,4 Funchal Madeira Clark Pe a
Furnas 6—700 Fuss oberhalb d. Meeres 18 —1,8 Levada ‚„ Mitter- 19,8—3,5 5SOF. üb.d. Meer maier
7) In der folgenden Tafel sind die Ergebnisse der vorhergehenden
*) Ich hatte unterlassen, die Tabelle, welche die Wärmegrade an den verschiednen Stunden eines jeden Tages angiebt, aus Bullar’s Schrift auszuziehen. Allein ich fand in der Broschüre Uma viagem ao Valle das Furnas por Jose de Senna Freitas em Junho 1840 eine Tabelle über die Temperatur des Juni 1839, welche nicht nur nach den einzelnen Beobach- tungsstunden sondern auch in den höchsten und tiefsten Wärmegraden mit den Angaben Bullar’s übereinstimmte. Obgleich der Name des letzteren nicht genannt war, konnte ich dennoch diese Tabelle als einen Abdruck seiner Beobachtungen betrachten und die oben an- geführten Mittel daraus berechnen.
30 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Beobachtungen mit denjenigen zusammengestellt, die Clark für Funchal auf Madeira und L. v. Buch für Santa Cruz de Tenerife angeben.
ee eher. 32.23.22; = 5 ee aus e3
guP ger ie ser-gn sea E23 ae SE =&® FE October | 19,2 |=0,1l19,4 10,1] ,, | ,, 120,16 |+0,8| 19,3 24252 Novber. 118,1 |+0,3| 16,6 |—1,2 :,,. |... [15,23 2,6 17,8 3 mE Decebr. | 14,8 1,6) „ | ‚| 13,8 |—2,6| 13,63 | — 2,5) 16,2 Vase Janmar». 192,327 — 23,1 ',, > | 15,5 1+0,1| 13,74 |=1,7| 15,4 20 Februar |12,4 |-3,3) ,,- |; | 1654 |-+0,7) 13,29 —2;5\ 15,7 oa März 16,5 |-0,1).,, |. ,..116,6| 0.114,45. —2,.2| 16,0 > a April REN 15,9 |—0,8| 15,35 |—1,4| 16,7 2 oe Mai 5 Be eat 17,63 +0,1| 17,5 |—4,9| 22,4 Juni a Be a 18,32 —1,1l19,4 oa Juli RE RE 32,22 '+1,1) 21,1 4,1983 Blneust |... ....22,7.-60,5 23,63 +1,4| 22,2 3,0004 ea a 91,6 | 0,2 21,10 —0o,7| 21,8 |—3,495,9
ei. Jahres-Mittel 17,3 |—1,0| 18,3 |—3,4| 21,7
Werfen wir einen Blick auf diese Zusammenstellung, so fällt es auf, dass die mittlere Wärme von Ponta delgada auf S. Miguel und von Horta auf Faial so hoch ist im Vergleich zu derjenigen, die für Funchal auf Madeira ermittelt ist. Hinsichtlich der geographischen Breite sind die Inseln von einander ent-
fernt: Ponta delgada 37°44° Horta Faial 38030’ Azoren | Ss 5052’ Unterschied Funchal Madeira 33038: 4°10° Unterschied Sta. Cruz Teneriffa 298!
Ziehen wir die geographische Lage und den allgemeinen Character der Vegetation in Betracht, so sollten wir zwischen der Wärme von $. Miguel oder von Faial und derjenigen von Madeira einen Unterschied erwarten, der wenigstens ebenso gross ist als derjenige, der sich zwischen der letzteren Insel und Teneriffa herausstellt. Diese Voraussetzung gewinnt noch an Wahrschein- lichkeit, wenn wir die Lage der Orte betrachten, an welchen die Beobachtungen auf den einzelnen Inseln angestellt wurden. Sta. Cruz de Tenerife liegt am Meer am südlichen Abhang eines ziemlich sanft ansteigenden Bergrückens von 1400 Fuss Erhebung oberhalb des Meeres. Viel günstiger ist die Lage Fun- chal’s, das gegen Norden durch ein 5000 Fuss hohes Gebirge und gegen Osten und Westen durch hohe seitliche Bergrücken geschützt ist. Der Winter ist deshalb dort verhältnissmässig wärmer als in Sta. Cruz de Tenerife, wie dies aus der Betrachtung der Mittel der einzelnen Monate hervorgeht. Denn wäh-
2. Der meteorologische Prozess. 3
rend der Unterschied in der mittleren Wärme von Funchal und Sta. Cruz im Decembr., Jan. und Febr. nur zwischen 2,2 und 2,4 Graden schwankt, beträgt er in den übrigen Monaten 3 bis 4,9 Grade und im Jahre 3,4 Grade. Horta liegt auf Faial an der ostsüdöstlichen Abdachung eines Bergdomes von etwa 3000 Fuss Höhe, ist gegen Norden durch einen Höhenzug von geringerer Erhebung geschützt, gegen Nordosten aber beinah gänzlich offen. Entschieden die ungünstigste Lage von den Orten der zu vergleichenden Inseln hat Ponta delgada auf S. Miguel. Die Stadt ist erbaut am Fusse der südlichen Abdachung eines sanft ansteigenden, von vereinzelten Schlackenhügeln gekrönten Berg- rückens von etwa S00 Fuss Höhe, der so gut wie gar keinen Schutz vor heftigen Nordwinden gewährt. Davon konnte ich mich oft genug und nament- lich Ende August während eines dreitägigen Nordsturmes überzeugen, der die beinah reifen Maisstengel auf den Feldern von der Nordküste bis zum süd- lichen Gestade knickte. Selbst die Bewohner von Ponta delgada räumen ein, dass ihre Stadt nach allen Richtungen dem Winde preisgegeben sei, der in Gartenanlagen oft Schaden verursacht und die Orangenhaine der Umgegend zerstören würde, wenn man nicht überall mässig grosse Vierecke mit hohen dicht geschlossenen Hecken immergrüner Bäume umgeben hätte. Wenn auch der Ort Villa franca, der am Südabhang eines etwa 3000 Fuss hohen Gebirges an der Küste erbaut ist, schen bedeutend günstiger liegt als Ponta delgada, so ist er doch bei weitem nicht so vollkommen geschützt als Funchal. Um so mehr muss es deshalb auffallen, wenn Bullar im Januar und Februar eine mittlere Wärme angiebt, welche höher als die von Funchal ist. Eher wäre noch zu erklären, dass das Mittel für den Juni in dem eingeschlossenen 'Thal- kessel von Furnas nur um 1% Grade geringer gefunden ward als in und 580 Fuss oberhalb Funchal. Beachten wır aber ferner, dass in der von Bullar auf- gestellten Tafel 2) der December bedeutend kälter als der Januar, und dass nicht nur der März sondern sogar der Februar wärmer als der April angegeben ist, so verdient dieselbe als unzuverlässig um so mehr keine weitere Beach- tung, da Bullar dieser auffallenden Erscheinung nicht Rechnung trägt, sondern nur die grosse Gleichmässigkeit des Klima’s hervorhebt.
Die nach Webster’s und Blunt’s Beobachtungen berechneten Mittel für ' die einzelnen Monate setzen uns in den Stand, wenigstens annähernd die mittlere Jahrestemperatur für Ponta delgada auf S. Miguel zu bestimmen. Für den fehlenden April habe ich die mittlere Zahl zwischen 16,5 (März) und 17,2 (Mai) angenommen und ebenso habe ich für October und November die Mittel aus Webster’s und Blunt’s Beobachtungen für diese Monate benutzt. Erst später erhielt ich die in Horta auf Faial angestellten Beobachtungen, welche eine Jahrestemperatur angeben, die mit der für $. Miguel berechneten ziemlich genau übereinstimmt. Die Angaben über die Temperatur Lissabon’s entlehnte
1cas
d
über Malaga iejeni-
1enc1as me
l1ejenigen
dade das Sc
le
der Soc
r sıe einem von
een za um re. Bra oz = |Ten) = epgırouag] zwang
pe “ lie "er “gie lee) “ lgie—| “ leg | OFLIOAUA, "ZNI,) "eIg Jrur Pa9ryosıayuj]
‚6 er ner en rer SH oz 18:97, "= | el 2 22 SRrmope Wer ey anne Bl me 8 ee ER ee, eNlopsmn MeRuDEn Tan paiyostegun ee ze ers > era. 5 nen rer "or, ee fe tysoH ao) "eo fire=| “zo “zo “ Io-| “ jrra-| = | © enopem -Teuoung ayur pommoszegun De a EEG N SE oe, 102 oe“ Sen 19nsım 's epesjop eyuog ZT U Ale a Ze) a ae mio = 7 | “Iren “ o-| © jea=| “ rrH «lger-| “ I1o—| “ NTonanmg 'epeßtspeguog "wporyosogun Ba OT | ge ee nz... er Suogessn ER s'+ Ze 2 cl a er el Er Terug om ne ar fr+ “rg ee er “or “ gro “ |Tensımg "epeFfopeguog "wpanpsısyun u ol zo aa SE oz = 9a air ar © Tee re wu N \e0o- ka I a a re cin IR |\600- rn | ei+| “za Ss © |Tonsmg epefopwuog "u paryossogun Sale a ea = 8500 © 0 2 0a er “ er] mer Ze rated
Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
h der Schrift Bullar’s, de finden sich in der Topographia medica de Malaga von D. V. Martinez, d
de Lisboa (1840) veröffentlichten Auszuge entnahm, d gen von Palermo in Kämtz Lehrbuch der Meteorologie.
32 IC
sag, ‘150909
JEUOMN yeuoW 197swae Aa | 109S9]C 4] 4squ9Hg | T9wwog |ayeluntTı
|
|
|
| | | |
Zoyur
"soIyer uozued sap pum usprazsaIger 19p aure y\ 2IOINIm (8
2. Der meteorologische Prozess. 33
Dieser Uebersicht entnehmen wir, dass die mittlere Wärme des Winters und des kältesten Monates von Palermo, Malaga und Lissabon um 0,6 bis 1,8 Grad niedriger ist als in Ponta delgada, während sie dort um 2,7 bis 3,1 Grade niedriger ist, als in Funchal auf Madeira. Für Horta auf Faial gestaltet sich das Verhältniss zwar etwas verschieden, jedoch nicht so sehr dass man die Annahme verwerfen müsste, dass im Winter die mittlere Wärme für die Azo- ren im Allgemeinen derjenigen von Süd-Europa (Palermo, Malaga, Lissabon) näher kommt, als derjenigen, die für Funchal auf Madeira festgestellt ward. Seubert hatte schon in seiner Arbeit über die Azoren in Wiegmann’s Archiv Jahrg. 1843 hervorgehoben, dass das Klima dieser Inselgruppe demjenigen von Süd-Europa nahe komme. Auf diesen Schluss deutet die geographische Lage der Azoren, deren insulares Klima mehr als durch die etwas höhere "Temperatur des Winters dadurch characterisirt wird, dass dieselbe nie so tief sinkt und dass überhaupt die Mittel für die einzelnen Monate aus Wärmegraden hervorgehen, ‚die weniger von einander verschieden sind, als auf dem Festlande. Dass aber die Temperatur des Winters, ohne gerade die Extreme zu erreichen, sich der- jenigen von Süd-Europa nähert und dass die Witterung schon bedeutend kühler und rauher ist als in Madeira, das bestätigt die Art und Weise, in welcher sich Einheimische wie Durchreisende über jene Jahreszeit aussprechen. Unter den letzteren führe ich Frau Ida Pfeiffer an, die in Ponta delgada Nachtfröste und bei Tage eine empfindliche Frische erlebte. Doch muss das wohl ein Ausnah- mefall gewesen sein. Mr. Hunt, der viele Jahre in Ponta delgada lebte und sich mit wissenschaftlichen Forschungen beschäftigte, giebt 7,2 Grade als die äusserste beobachtete und 8,8 Grade als die gewöhnliche tiefste Wärme des Januar an, während Dr. Bettencourt in Horta im Winter 1857 auf 58 die tiefste Wärme gleich 5,9 Grade fand. Aber selbst die Bewohner der Hauptstadt geben zu, dass der Winter rauh, regnerisch und stürmisch sei. In Furnas erzählte man mir, dass zuweilen das ganze '[hal bei 600 bis 700 Fuss Höhe über dem Meere leicht mit Schnee bedeckt sei, der jedoch nur ganz kurze Zeit liegen bleibt. Den 7613 Fuss hohen Pik von Pico dagegen bedeckt der Schnee bis zur Hälfte seiner Höhe und bleibt mehrere Monate, oft sogar noch während des Frühjahrs liegen, während in Madeira die oberhalb 4000 Fuss emporragenden Gebirgskämme in vielen Wintern gar nicht, in andern nur wenige Tage oder Wochen mit Schnee bedeckt sind, der nur ausnahmsweise sich bis einen Monat lang erhält. Die Landleute klagen, wo man sie auch fragt, sehr über den Winter, in welchem sie viel von Feuchtigkeit und Kälte aushalten müssen. Der Umstand, dass sie in ihrer leichten Kleidung auf den Estrichböden ohne Feuerplätze durchkommen, spricht nur insofern für die Milde des Winters, als dieselbe besondere Schutzmittel nicht gerade unumgänglich nothwendig macht. Auch in den Städten trifft man nirgends ein Kamin. Man erträgt eben die
Hartung, Azoren. 3
34 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
kühle und feuchte Luft in den Räumen und friert, wie das im Süden während des Winters gewöhnlich der Fall ist, weil man es überall auf’s Aeusserste
ankommen lässt. In Lissabon muss man wie im südlichen Spanien, in Neapel.
und Griechenland schon das Kohlenbecken (Brazero) zu Hülfe nehmen. Wei-
ter nördlich hat man bereits Kamine angelegt, an welchen selbst noch die
Pariser den Winter unbehaglich genug durchmachen. Dann kommen die eiser- nen Oefen Süddeutschlands und die Steinkohlenkamine der Engländer, aber erst im Norden von Deutschland hat die Nothwendigkeit den Menschen ge- lehrt, sich während des Winters eine gleichmässige sommerliche Wärme in den innern Räumen der Häuser zu schaffen.
Jedenfalls ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Winter in den Azoren kälter und rauher erscheint, in Folge der grösseren Feuchtigkeit und des hefti- gen Windes. Diese Jahreszeit ist deshalb , wie die Witterung des grösseren Theiles des Jahres, für den Menschen in Ponta delgada unfreundlicher, als es der durch meteorologische Beobachtungen ermittelte Unterschied mit Funchal auf Madeira herausstellt Davon überzeugte ich mich hinlänglich während des Frühjahrs und Frühsommers, wo ich auf den Höhen bei heftigem Winde oder in höher gelegenen Dörfern bei der grossen Feuchtigkeit der Luft die Wärme viel niedriger schätzte als das Thermometer sie angab. Bullar, der sonst das Klima eher zu günstig beurtheilt, führt an, dass die Feuchtigkeit so gross sei, dass Stiefel und Schuhe in den Wohnungen in wenig Tagen beschimmeln, dass Bücher und Papier sich feucht anfühlen, und dass Kleider, die unbenutzt hängen bleiben, augenblicklich einen muffigen Geruch annehmen. Ebenso fand ich im Thale von Furnas (600 — 700 Fuss über dem Mecre) vom 16. bis 22. Mai die Luft im Zimmer ungemein feucht. Die Betttücher fühlten sich stets an, als ob sie unvollkommen getrocknet seien, das Papier zog Feuchtigkeit an und an bewölkten Tagen, an welchen Regenschauer fielen, konnte man den Athem sehen, obschon die Temperatur während der Zeit nur zwischen 13,8 und 16,8 Grad schwankte. Auf dem Gipfel eines 1260 Fuss hohen Berges zeigte das Ihermometer vor Wind und Sonne geschützt am 25. April um 1 Uhr 45 Minuten 14,4 und am 27. April um I Uhr Mittags in einer Höhe von 1570F. 14 Grade, während ein überaus heftiger N.N.O. Wind das Gefühl einer viel geringeren Wärme hervorbrachte. Am 30. April, an einem schönen Tage fand ich um 3 Uhr Nachmittags in einer Höhe von 1020 Fuss 16,5 Grad. Die geringste Wärme beobachtete ich während der Zeit vom 23. April bis 29. August am 5. Mai um 12 Uhr Mittags in einer Höhe von 1500 Fuss über dem Meere, Das Thermometer, das einem heftigen N.O.Winde ausgesetzt war, der Menschen und Vieh erstarren machte, fiel dennoch nur auf 9,4 Grad und stieg beträchtlich, sobald wir an der dem Winde abgekehrten Seite des Gebirges hinabstiegen.. Den 7. Juli fand ich um 12 Uhr Mittags 11,1 Grade auf einer
35
2. Der meteorologische Prozess.
Höhe von 5400 F. inmitten eines dichten Gewölkes und feinen Sprühregens. Auf dem Gipfel des Monte escuro zeigte das Thermometer in einer Höhe von 2800 Fuss am 27. Mai um 1 Uhr Mittags 12,7 Grade bei heftigem Nordwinde ‘ und am 22. Mai um 12 Uhr Mittags in einer Höhe von 3000 Fuss inmitten einer dichten Wolkenschicht 13,3 Grade, sowie 13,8 Grade am 26. Juni um 12 Uhr Mittags in einer Höhe von 2800 Fuss. Dies sind die niedrigsten Wärme- grade, die ich in beträchtlicheren Erhebungen oberhalb des Meeres beobachtete. Nicht selten war die Luft selbst auf dem Hochgebirge sehr warın, wie unter anderen : am 15. Mai um 4 Uhr Nachmittags am See der Lagoa do Fogo (1800 F. über dem Meere) 17,2 Grade, am 17. Mai um Mittag in einer Höhe von 1700 F. 18 Grad, am 27. Juni um 1 Uhr bei 2550 Fuss Erhebung 16 Grad, am 30. Juni an einem sehr warmen Tage um 3 Uhr Nachmittags auf einer Höhe von 1600 F. 20,5 Grade, am 9. Juli um 2 Uhr Nachmittags auf einem Hochgebirge von 3000 Fuss 19,4 Grade, am 2. August um 1 Uhr Mittags bei 2000 Fuss Höhe 20,2 Grade und am 13. August um 4 Uhr Nachmittags bei 3000 Fuss Höhe 22,7 Grade. Be
9) Barometerstand, Feuchtigkeit der Luft, Regenmenge mwebst der Zahl der Tage; an welchen dieselbe fiel, nach Beob-
achtungen von Dr. Thomaz de Bettencourt.
Mittel | Maxim. u. Minim. |
© 5 5 | &n = & Baro- |2 3 2 Relative Feuchtigkeit Rerenmense Se; meter |. 2 5° < 7 En 5 = 5 Sättigungspunkt 100 :|8|9 Zu D|o|® Erann s tee a
ES | Millimet. Millmet.| 100 | Maxim.|Minim: | Differ. | Millmet. lengl. Zoll. November 1857 |757,03111,13/80,51|93,34 62,19|31,15 499,0.19,646, 28 11,5 Er ecmber - „„ [762,79|110,4682,1393,8471,13|22,71) 194,0| 7,637 22) 1| Januar 1858 |765,81,10,03/78,46 94,76 55,34139,42| 52,0] 2,047| 21| ,,|,;, Februar 34 757,51/10,30/80,79191,7859;92|31,86| 246,0|- 9,685 25| 1| 5 März ss 1761,49|110,36]75,37|94,86/55,14139,72]| 89,0| 3,504| 16| ,,| 3 April »» 1197,93/11,23|79,57/94,68 53,21/41,47| 146,5| 5,767| 25| 1| „, Mai »» |765,09|11,92/73,04190,37/52,40|37,97| 53,0) 2,086 LOSE Juni 2164,86 12,30169,88,93,32199,52/37,80,.763,0| 2,48012,, 1, Juli iR 769,14/15,09 68,17187,61194,53133508, 13,0 511 DD 29 August .1167,68 15,3466,97192,63152,89139,741 251350: 0,511) 72) „, September 2» .-1762,67|14,92|74,84|95,44155,33/40,11]° 71,5) 2,815| 17| 1 ,, October „ |759,62|14,65/78,21/90,96/54,58/36,38 75,0) 249532 E41 5, Jahr 1762,63] 75,66 1515,059,641/196) 6/8
Die im Folgenden mitgetheilten Angaben über die klimatischen Ver-
hältnisse Madeira’s und einzelner anderer Orte entlehnte ich Mittermaier’s gehaltreicher Schrift: Madeira und seine Bedeutung als Heilungsort für Kranke, B} %*
36 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Heidelberg 1855. In derselben findet sich auf Seite 88 die folgende Bemer- kung: ,‚‚In Betreff des Luftdruckes giebt Kämtz den mittlern Barometer- „stand auf Madeira (wohl für Funchal) auf 764,3 Millimeter an, also ziemlich „höher als das Mittel an der Seeküste, was 761,4 Millimeter ist. Nach Clark „‚soll im Sommer auf Madeira ein höherer Barometerstand stattfinden als im ,, Winter, dasselbe behauptet L. v. Buch von den Canarischen Inseln und glaubt, „dass in dieser Gegend des Atlantischen Meeres eine bedeutende Anhäufung „‚der Atmosphäre entstehe, wenn gerade in den Sommermonaten so regelmässig „‚die beiden Luftschichten über einander streichen, unten der N.O.-passat und „in der Höhe der S.W.-Wind. Einfacher möchte sich der höhere Barometer- „‚stand im Sommer auf den Canarischen Inseln und auf Madeira überhaupt „durch das Vorherrschen des kühleren N.O.-passates überhaupt erklären ‚„‚lassen.‘“ Für Horta auf Faial ergiebt sich nach den von Dr. Bettencourt etwa 50 Fuss oberhalb des Meeres angestellten Beobachtungen ein mittlerer Baro- meterstand von 762,6, der somit demjenigen von Madeira ziemlich nahe kommt, während sich die Mittel für die verschiednen Jahreszeiten in der folgenden Weise gestalten : December, Januar, Februar, =762,03 Millimeter März, April, -=Mai;. x .=761,50 Juni, Jul, Ausust..—767,24 September, Octbr., Novbr., =759,77 Der mittlere Barometerstand ist also im Sommer höher als ım Winter
2» >]
Se)
um 5,18 Mm., er ist höher als im Frühjahr um 5,71 Mm., und als im Herbste um 7,44 Mm., er ist endlich höher als während des übrigen Theils des Jahres um 6,11 Mm. Entschieden am höchsten stellen sich die Mittel während des Juli und August, welche Monate auch während meines Aufenthaltes im Archipel sich selbst noch vor dem Juni durch Windstillen und leichte Brisen oder mit andern Worten durch ächt hochsommerliches Wetter auszeichneten. Am niedrigsten stellen sich dagegen die Mittel im Februar, April, October und November, in Monaten, die zu den stürmischsten des ganzen Jahres gehören. Nach Capitain Boid*) herrschen im Winter nordwestliche, westliche und südwestliche, im Sommer aber nördliche, nordöstliche und östliche Luftströmungen vor.
10) In der folgenden Tabelle sind die Prozente der Dunstsättigung zu Halle nach Kämtz, Mannheim nach Dr. Weber, Funchal nach Dr. Heineken und Horta nach Dr. Bettencourt zusammengestellt. (pag. 84. Mittermaier etc.)
*) A description of the Azores or western islands ete. by Capt. Boid. London 1834.
2. Der meteorologische Prozess. 37
Monat | Halle | Mannheim | Horta. Faial Funchal. Madeira Januar . 85,8 sl 78,46 70 Februar . 81,0 78 80,79 72 März . 773 73 75,37 66 Apr. °. Tu 68 7937 65 Mar. 69,2 64 73,04 78 Ian... 71,0 65 69,88 72 ah“: 08,9 65 68,17 79 August . 66,1 67 66,97 83 September | 72,8 zo 74,84 88 October .: | 78,9 79 78,21 84 November 55,6 s0 80,51 87 December 56,8 sl 82,13 82
ee, 737° | 75,00 © 77
Das Ergebniss für die einzelnen Monate in Halle und Mannheim stimmt mit dem in Horta viel mehr überein als mit demjenigen, das für Funchal er- mittelt wurde, woselbst die Dunstsättigung im Sommer und Herbst beträcht- licher, im Januar, Februar, März und April aber geringer als an den andern drei Orten ist. Die Angaben sind zwar nicht der Art, dass man einen bestimm- ten Schluss daraus ziehen könnte, allein sie scheinen dennoch darauf hinzu- deuten, dass auch in dieser Hinsicht die klimatischen Verhältnisse der Azoren schon mehr ein europäisches Gepräge tragen als diejenigen von Madeira.
Viel bestimmter und auffallender unterscheiden sich die Azoren und Madeira durch die Regenmenge und durch die Zahl der Tage, an welchen die- selbe während des Jahres fällt. Nach Heineken beträgt die jährliche Regen- menge für Funchal auf Madeira 742,4 Millimeter, eine Angabe, welche mit derjenigen in Berghaus’ physical. Atlas übereinstimmt. Die Zahl der "Tage, an welchen in Funchal und seinen Umgebungen Regen fällt, ist im Mittel nach Clark gleich 70, nach Mittermaier von Septbr. 1851 bis Mai 1854 gleich 94, während sie nach Mason’s Beobachtungen in einem Jahre bis 101 anwuchs.
11) Der Regen, welcher in Funchal auf Madeira und in Horta auf Faial fällt, vertheilt sich in der folgenden Weise auf die einzelnen Monate des Jahres.
Funchal. Madeira Horta. Faial Dr. Beitencourt’s Beobachtungen von Novbr. 1857 bis Octobr. 1858.
| Mittel v. Sepibr. Nach Clark | 1851 bis Mai 185% nach Mittermaier
Januar . lorlageıe Surkage 21 Tage Februar . Dar er en März N KOSISaH 16.-%; April RE 8 = DER Mai DEN DIT SEN EOE I,
38 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
mann Madeira Horta. Faial
" Ic | | Mittel v. Septbr. Sr ne 23 | Nach Glark | 1851 bis Mai 1854 = N a) nach Mittermaier | None ER EAN ae; __ |bis Octobr. 1858. Juni 2 Tage -3 Tage 12 Tage Juli ae Be August . dir as: 1, Be NR September || 4 ‚, 5 Se ee 2, October . Dre Ben v5 November | 11 u re DB December Dad I Tre DB 05, Jahr | 66 Tage| 93,7 Tage | 196 Tage
12) Berechnen wir aus den in 9) gemachten Angaben das prozentliche Verhältniss der Regenmenge für die verschiedenen Jahreszeiten in Horta auf Faial, so erhalten wir die folgenden Werthe, welchen in der nachstehenden. Uebersicht einige aus Berghaus’ physical. Atlas entnommene Angaben beige-
fügt sind:
Jährliche Vertheilung auf die Jahreszeiten
Oertlichkeiten | Regenmenge |.» Procente der Regenmenge im in paris. Zoll ’ EHEN Winter | Frühjahr | Sommer | Herbst
Madeir ahch Berka a 8t. 48 I al HortaaufFaial n. Dr. Denis 55,9" 32,3.) 319,0.10,2 42,5 Südwestküsted. iberischen Halb- (59,6 engl. Zoll) |
ıo-el’nach Berghaus. ..:.. | 29 07,0 = 22.077289 4. 35 Sıcilien nach Berghaus. . . ... 22.115040). 39 25 4 32 Südfuss der nördlichen Apenninen |
nach Berghaus . . 60 „02,0, 11.402 23 13 37 Südabhang d. Alpen n. Berghaus 54,0 5,.0.7. 20000 DB 26 32 Südliches Deutschland % 2 RS 18 21 37. ST a Mittel- und Nord - Deutschland
mehäblerchaus,. se. 1 EINLL ON IR 23 37 20 Westküste von Scandinavien
nach Berghaus’... Zi.1.-!7. 77.07550° 776 18. 21 Ber
Die Regenmenge und die Zahl der Tage, an welchen dieselbe fällt, sind also in Horta auf Faial etwa doppelt so gross als in Funchal auf Madeira, während sich das prozentliche Verhältniss für die verschiedenen Jahreszeiten ziemlich ähnlich gestaltet, wenn wir die Werthe für den Herbst und den Win- ter in Faial mit einander vertauschen oder zusammen den Werthen für den Frühling und Sommer entgegen stellen. Während des November 1857 fiel, wie die Tabelle 9 zeigt, eine Regenmenge, welche beinah ein Drittheil von derjenigen beträgt, die während des ganzen Jahres aufgefangen wurde.
2. Der meteorologische Prozess. 39
Dr. Bettencourt beobachtete im November vom 1 bis 10. 91,0 Millimeter. O0 38;
20 ,, 30. 220,0 x im December ‚; 1 ,, 10. 104,0 BE
76,520. 3EN232,5
1m Pebrvär‘,, 402445 720: 114150
Ausserdem betrugen die bedeutendsten von zehn zu zehn Tagen gemessenen
2
=:
39. „9
„>
. Mengen Regen im Januar 30, im März 57, ım April 75,5, im Mai 22, im Juni 48, im Juli 9, im August 8, im September 37, und im- October 37 Millimeter. Die Zeitabschnitte vom 10. November bis 10. December (512 Millimet. Regen) und vom 10. bis 20. Februar (111 Millimeter Regen) sind daher als solche -zu betrachten, in welchen besonders zahlreiche und ergiebige Regenschauer schnell hinter einander erfolgten. Auch in Madeira unterscheidet man ähnliche durch heftigen Regenfall ausgezeichnete Abschnitte, von welchen der eine in die Zeit von der letzten Hälfte des November bis Ende December fällt, wäh- rend der andere, der gewöhnlich die heftigsten Stürme und die bedeutendsten Regenmassen bringt, zwischen Ende Januar und Ende Februar oder Anfang März eintritt. Wahrscheinlich gestalten sich die Verhältnisse in den Azoren in ähnlicher Weise. Dass in Faial während des oben angeführten Jahres der meiste Regen kurz vor und bei dem Eintritt des Winters (December, Januar, Februar), und nicht in der zweiten Hälfte desselben fiel, dürfte daher mehr als eine Ausnahme zu betrachten sein, die auch in Madeira beobachtet wurde, und die ın dem vorliegenden Falle das hohe prozentliche Verhältniss des Herbstes. bedingte. Trotz dieser vorzugsweise regnerischen Zeitabschnitte giebt es weder in Madeira noch auf den Azoren eine eigentliche Regenzeit, die selbst in den Canarien noch nicht eintritt, wo es eigentlich nur im Winter, von Anfang April bis Ende October aber beinah gar nicht mehr regnet. Doch auch in den beiden erstgenannten Inselgruppen herrschen die Regen des Winters und Herbstes gegen die des Frühjahrs und namentlich gegen die des Sommers vor, und zwar so, dass dieses Verhältniss in Madeira entschiedener als in den nörd- licher gelegenen Azoren hervortritt. Dieses ist einestheils schon aus der 'T’abelle 12 ersichtlich, nach welcher in Faial während des Frühjahrs 2, während des Sommers 2,2 Prozente Regen mehr als in Madeira fallen! Dann aber beschränkt sich auch nach 'labelle 9 die regenarıne Sommerzeit für Faial nur auf die Monate Juli und August, also auf einen Abschnitt, der schon viel kürzer als derjenige ist, der sich in Madeira -durch ähnliche Verhältnisse auszeichnet. Und endlich ist, abgesehen von dem prozentlichen Verhältnisse, die absolute Menge des Regens, welche ausser jenen beiden entschieden regenarmen Mona- ten bis in den Frühsommer und vom Beginn des Herbstes in den Azoren fällt,
40 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
viel bedeutender als diejenige, die um dieselbe Zeit auf Madeira herabströmt;
was namentlich Beachtung verdient, wenn wir den Einfluss der klimatischen Verhältnisse auf die Vegetation in Erwägung ziehen. Die in Faial angestellten Beobachtungen umfassen zwar nur ein Jahr, allein wir dürfen deshalb nicht
annehmen, dass die Angaben über die Regenmenge und die Zahl der Tage, an
welchen dieselbe fiel, im Allgemeinen zu hoch seien. Und wenn auch sicher- lich Jahre vorkommen mögen, in welchen es weniger regnet als in dem oben angeführten, so werden dafür andere wahrscheinlich noch regnerischer sein als dieses. Darauf deuten wenigstens manche vereinzelte in andern Schriften nie- dergelegte Angaben und die Berichte, die ich selbst an Ort und Stelle vernahm. Die in der Tabelle 11 angegebene Zahl der Tage, an welchen Regen fiel, er- scheint nicht zu hoch, wenn ich sie mit derjenigen vergleiche, die ich während des Frühjahrs und Sommers 1857 auf meinen Ausflügen durch die 9 Inseln
beobachtete, wo es vom 24. bis30. April an 3, im Mai an 22, im Juni an 15, im
Julian 10, und im August ebenfalls an 10 Tagen regnete. Bei dieser Aufzäh- lung habe ich diejenigen Schauer, die auf hohen Bergen inmitten der Wolken- schichten herabrieselten, unberücksichtigt gelassen , indessen müssen wir in Erwägung ziehen, dass ich mich wiederholt in 600 bis 700 Fuss hoch gelegenen Thalkesseln und an den nördlichen Küsten der Inseln aufhielt, was jedoch
keinen sehr bedeutenden Unterschied hervorbringen kann, da es selbst im Juli
und August an Orten, die gegen Süden und am Meeresufer liegen, wiederholt regnete. Während der Zeit meines Aufenthaltes kam es nur einmal, am 21. Mai im Thale von Furnas vor, dass es vom Morgen bis Abend anhaltend regneite. Aber bis Mitte Juni beobachtete ich heftige Regenschauer, die ein paar Stun- den anhielten oder sich in Zwischenräumen an demselben Tage wiederholten. Dies war noch in Santa Maria, der südlichsten Insel des Archipels, im Anfang des Juni der Fall, wo uns an zwei auf einander folgenden Tagen wiederholt heftige Regengüsse am Littorale überraschten. Die meisten Schauer waren je- doch auch bis dahin nur leicht und vorübergehend, wie alle die später von der zweiten Hälfte Juni bis Ende August fielen. Da aber fanden in Ponta delgada am 24. während eines S. W.-Sturmes wiederum ergiebige Regengüsse statt, die mit Unterbrechungen den ganzen Tag anhielten. Für die grosse Feuchtigkeit des Klimas und für den Umstand, dass die Regenmenge sich viel mehr als in Madeira (der Canarien gar nicht zu gedenken) über das Jahr vertheilt, dafür spricht schon der allgemeine Character der Vegetation, die mit ihrem üppigen Krautwuchs die Inseln von den Ufern bis zu den Gipfeln mit einer dicht ge- schlossenen Pflanzendecke überzieht. — Auf dem Hochgebirge geräth der Reisende im Hochsommer in versumpfte Stellen, in welchen die Maulesel ein- sinken, und an steilen Abhängen tritt er tief in die Moospolster hinein, die wie vollgesogene Schwämme von Wasser strotzen. An den innern Wänden des
u nr
2. Der meteorologische Prozess. 41
Kraters von Corvo ziehen sich sogar auf solchen dichten Moosdecken Matten ‘von Binsen (Juncus acutus) hinab.
In dem Klima der Azoren spielt der Wind eine eben so grosse Rolle als die Feuchtigkeit. Nach Oapitain Boid herrschen wie bereits erwähnt im Winter nordwestliche, westliche und südwestliche, im Sommer aber nördliche, nord- östliche und östliche Luftströmungen vor. Seiner Stärke nach vertheilt sich der Wind über das Jahr etwa in demselben Maassstabe wie die Regenmenge. Im Winter ist das Luftmeer am anhaltendsten und stärksten bewegt. Dann thürmen wochenlang andauernde heftige Winde namentlich an den nördlichen Küsten Wogen auf, von deren Höhe und Gewalt man sich selbst in Madeira nur ausnahmsweise eine Vorstellung machen kann. In Faial zeigte man mir ein aus Stein erbautes Zollwachthäuschen, welches das Meer eingerissen hatte, ‚obschon es 50 Fuss von einer 40 Fuss hohen Klippe entfernt stand. Gegen diese prallen die Wogen im Winter zuweilen mit solcher Gewalt an, dass sie bedeutende Wassermassen gegen 200 Schritte landeinwärts ergiessen. Und in der Grotte eines kleinen an der nordöstlichen Küste der Insel Sta. Maria ge- legenen Eilandes hatten die Wellen in einer Höhe von 25 und bei einer Ent- fernung von 250 Fuss die fingerdicken Stalagmiten abgebrochen , welche dort über dem Boden emporragen. Sehr heftig wehen die westlichen und südwest- lichen Stürme, die namentlich in Ponta delgada auf S. Miguel den Fahrzeugen so gefährlich sind, welche um Orangen zu laden im Winter in so grosser Zahl auf der Rhede liegen. Ausser diesen Stürmen hindern wiederholt heftige Winde und ein unruhig bewegtes Meer das Landen oder Befrachten der Fahrzeuge. Capitain Boid, der sonst bemüht ist die Vorzüge der Azoren hervorzuheben, räth deshalb allen Seefahrern, namentlich während der ungünstigeren Jahres- zeit die Inselgruppe zu meiden, sobald sie nicht besondere Gründe veranlassen dieselbe aufzusuchen. Selbst am 23. April, als ich in Ponta delgada anlangte, sagte man mir, dass am Tage zuvor das Meer noch so stürmisch gewesen sei, dass sich schwerlich Boote hinausgewagt haben würden. Die Zeit, während welcher der Wind anhaltend frisch wehte nud sich vorübergehend zum Sturm steigerte, war damals ebensowenig vorüber als die der Regenschauer und Regen- güsse. Der in leichten Yachten betriebene Verkehr zwischen den einzelnen Inseln, der während der Wintermonate unterbrochen ist, hatte bereits wieder begonnen, aber man rieth mir im Mai mit den Meeresfahrten noch ein paar Wochen zu warten und wirklich strandete um diese Zeit bei S. Miguel eines der kleinen Fahrzeuge. Als ich später am ersten Juni nach einer unruhigen . Fahrt in Sta. Maria gelandet war, steigerte sich bald darauf der Wind so sehr, dass die kleine Yacht 4 Tage auf offenem Meere umher irren musste, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte auf die Klippen geschleudert zu werden. Vom 12. bis 15. Juni hatte ich abermals bei heftigem N.W.-Winde eine stürmische Fahrt
42 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
von $. Miguel nach Faial und auch dann wehte es mehr oder weniger frisch bis Mitte Juli. Die Ueberfahrten nach Pico, S. Jorge und Graciosa machte ich bei starkem Winde durch ein bewegtes Meer und in 8. Jorge musste ich sogar vom 2. bis 5. Juli warten, bis das Wetter es gestattete, in einem grossen offenen Boote nach der nur 2%, Meilen entfernten Insel Pico hinüber zu segeln. Vom 22. bis 24. Juli hatten wır unfern Graciosa eine Windstille, aber als wir an der Westspitze von Faial anlangten, erhob sich ein heftiger Wind, der sich zum Sturm steigerte und uns drei Tage lang in den Breiten von Corvo und Flores im Bereich des Golfstromes umhertrieb. Dort in der Mitte des Oceans ist das Wetter zu allen Zeiten des Jahres unsicher und verrätherisch. Selbst im Hoch- . sommer gehören heftige Windstösse und Stürme, die dann freilich nie lange andauern, keineswegs zu den Seltenheiten. Schon früher hatte ich vorüber- gehende Windstillen beobachtet, die stets sehr bald durch frische Brisen unter- brochen wurden. Erst in der zweiten Hälfte des Juli traten sie häufiger ein und dauerten von leichten fächelnden Winden begleitet länger an, so dass sie das Wetter des Hochsommers dieser Breiten characterisirten. Aber schon am 22. August, wo ich mich an der Südküste von Terceira befand, wehte ein star- ker Wind, der leichte Regenschauer mit sich führte und von da ab war die kurze hochsommerliche Ruhe im Luftmeer unterbrochen. Bei der Fahrt nach S. Miguel wogte das Meer so unruhig wie im Frühjahr und am 24. August . zwang ein heftiger von Regenschauern begleiteter S.W.-Sturm die Fahrzeuge, die Rhede von Ponta delgada zu verlassen. Während der Nacht ging der Wind nach Norden herum, wehte orkanartig, die Maisfelder zerstörend, vom 25. bis 28. und begleitete uns mit verringerter Heftigkeit bis zur Hälfte des Weges nach Lissabon, wo wir am 31. anlangten.
Ich habe diese allgemeinen Bemerkungen über den Verlauf des Wetters während meiner Reise so ausführlich angeführt, weil sie mit den Angaben in der Zusammenstellung 7 insofern übereinstimmen als nach denselben die Wärme sich im Juli bedeutend steigerte und zwar so sehr, dass sie im August die von Funchal um 0,5 und 1,4 Grade übertraf. Demnach wäre also nach Tabelle 8 der Sommer etwa eben so warm, der wärmste Monat aber sogar noch etwas wärmer als in Madeira. — Dennoch steigert sich die Temperatur nie so be- deutend als in Lissabon, wo im Juli des Jahres 1838 eine Wärme von 36,5" (29,3°R.) beobachtet wurde. Auf Faial betrug das absolute Maximum des Sommers 1858 nach der Tabelle 6 freilich 31 Grade. Während der Sommer von 1857 zu den heissesten gezählt wurde, die man überhaupt in jener Stadt erlebt hatte, fand ich nur zweimal im August auf der Insel Terceira an sehr warmen Tagen um 2 und 3 Uhr Nachmittags am Meeresspiegel eine Wärme von 26,6 und 27,7 Graden, während dieselbe sonst im Juli und August an ähnlichen Oertlichkeiten und um die Mittagszeit nur 19,4 bis 24,4 Grad
2. Der meteorologische Prozess. | 43
betrug. Ebenso giebt Mr. Hunt 27,7 und 29,9 Grade als die höchste Wärme ‘an, die beobachtet wurde. Auf Madeira stieg das Thermometer im vollkom- menen Schatten auch nie höher als 29,4°. Clark führt in dem bereits früher erwähnten Werke an, dass der Sommer in Madeira etwas kühler scı, als ın den Azoren, welche auffallende Erscheinung er dem N.O.-Passat zuschreibt, der diese Inselgruppe nicht mehr erreicht. Allein der N.O.-Passat weht in Tene- riffa viel entschiedener als in Madeira und doch ist der Unterschied der mitt- lern Wärme von Sta. Cruz im Vergleich zu der von Funchal im Sommer gleich 3,9°, im Winter aber nur 2,3 Grade. Es muss also die hohe Sommerwärme der Azoren noch durch andere Ursachen bedingt sein. Eine derselben könnten wir füglıch in der Regelmässigkeit suchen, mit welcher in Madeira und nament- ‚lich auf der Südseite in Funchal der Seewind (Imbate) und der Landwind (Terral) gegen Mittag und gegen Abend oder Nachts landeinwärts und nach dem Meere wehen. Mittermaier, den ich schon früher anführte und der äusserst sorgfältige Beobachtungen anstellte, sagt darüber: ,‚Was den Gang der Wärme in 24 Stunden betrifft, .so beobachtete ich stets einige Minuten vor Sonnenaufgang das Minimum der Nacht; das Maximum des Tages tritt meist schon um die Mittagszeit ein, da der in den Mittagsstunden beginnende See- wind um diese Zeit die Luft schon abzukühlen beginnt; im Sommer, wo die- ser Wind sich etwas früher einstellt, fällt das Maximum sogar vor 12 Uhr.“ Auf den Azoren, deren Bergmassen, mit Ausnahme des vereinzelt stehenden abschüssigen Kegelberges von Pico, sich nur halb so hoch erheben als das aus- - ‚gedehnte Gebirge von Madeira, können diese periodischen Luftströmungen nicht eine solche Bedeutung haben als dort, während sie gar an Orten, die wie Ponta delgada am Fuss eines ganz niederen sanft ansteigenden Bergrückens liegen, kaum zu bemerken sein dürften. Sobald also die heftigen Luftströmun- gen und frischen Brisen, welche in diesem Theile des Oceans noch während des- Frühjahrs und Frühsommers wchen, aufhören und die von fächelnden Winden begleiteten Windstillen des Hochsonmers vorherrschen, dann wirkt die Sonne ungestörter als in Funchal, und somit wird es erklärlich, dass die Sommerwärme der Azoren nicht nur ebenso hoch sondern sogar höher als in Madeira steigt.
So wenig vollständig auch. das vorliegende Material sein mag, so setzt es uns doch in den Stand die folgenden Schlüsse zu ziehen:
Die mittlere Wärme des Winters und kältesten Monats ist schon beträchtlich niedriger als in Madeira und nur in einem viel geringeren Grade höher als diej enige. von Orten, welche wie Lissabon, Malaga und Palermo annähernd unter denselben Breitengraden im Süden von Europa liegen. Dage- gen ist an solchen Orten nicht nur die mittlere Wärme des Sommers und
44 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
wärmsten Monates entschieden höher als in den Azoren, sondern es sind auch die Extreme in den höchsten und tiefsten Wärmegraden der einzelnen Monate beträchtlicher.
Die mittlere Wärme des Sommers und namentlich die des wärmsten Monates ist auf den Azoren nicht nur ebenso hoch, sondern sogar etwas höher als in Madeira.
Das Klima der Azoren ist darum als ein insulares zwar gleichmässig, aber doch keineswegs in dem Grade wie dasje- nige von Madeira und der Canarischen Inseln.
Jahr Winter | Sommer kältester | wärmster Unterschied Monat . Ba, Biss an ade 17,7 | 13,1 | 20,7 | 12,3 | 22,7 | 10,4 kloertatauf Faalı®ı 7, 17733) EEE III ZZ 10,4 Funchalauf Madeira . . . | 18,3 | 15,8 | 20,9 | 15,4 | 22,2 6,8 Santa Cruz auf Teneriffa . 21,7..118,, 1-1 ,:24.8 2 17 So 8,4
Die Jahreszeiten sind demnach auf den Azoren schon schärfer von einander gesondert als auf den südlicher gele- genen Inselgruppen. Diese Thatsache beweist der Gang der Witterung noch deutlicher als die obigen Zahlen. Von allen drei Inselgruppen umfassen die Regenschauer und Stürme oder starken Winde der kühleren Jahreszeit den längsten Zeitraum auf den Azoren. Wenn in Santa Cruz der Unterschied des wärmsten und kältesten Monates grösser ist als in Funchal, so muss das wohl der Lage zugeschrieben werden, die im Winter weniger Schutz gegen frische nördliche Winde gewährt und im Sommer einestheils die sanftere Strömung des N.O.-Passats abhält, und anderntheils nicht so sehr die regelmässigen ört- lichen Luftströmungen von und nach dem Meere begünstigt. Hinsichtlich der Dauer der Winterregen und des unbeständigen Wetters sind die Canarien bei weitem am meisten von den Azoren verschieden, denn dort regnet es nach v. Buch kaum noch vorübergehend von April an. Madeira steht in dieser Be- ziehung, wie schon die geographische Lage andeutet, gerade in der Mitte zwi- schen den beiden genannten Inselgruppen.
Wenn selbst die Canarien und Madeira durch frische Luftströmungen vor anderen unter denselben Breiten gelegenen Orten des Festlandes begünstigt sind, so sind die Azoren in Folge der Lage inmitten des Oceans durch andauernde heftige Winde, Feuchtigkeit und eine sehr bedeutende Regenmenge ausgezeichnet. Die letztere, welche dop- pelt so gross als in Madeira ist, stimmt nur nahezu mit derjenigen überein, die jährlich an regnerischen Punkten von Süd-Europa fällt, wie z. B. nach Tafel 12 am Südfuss der nördlichen Apenninen. Sıe ist aber nicht annähernd so gross
3. Die Pflanzenwelt. 45
als diejenige, die jährlich an manchen Punkten der Tropen fällt, wo Berghaus in seinem physikalischen Atlas für Paramaribo 215, für San Luiz de Maranhaö 259 und für Guadeloupe 274 pariser Zoll angiebt.
3. Die Pflanzenwelt.
Die Aehnlichkeit und Uebereinstimmung des Pflanzenkleides der Azoren und von Süd-Europa ist nach Seubert’s ‚‚Flora azorica‘“ mehr durch Analogie der klimatischen Verhältnisse als durch Einschleppung zu erklären. Dieser Satz lässt sich nicht nur nachweisen, wenn wir die sämmtlichen wildwachsen- den Pflanzen des Archipels in Betracht ziehen, sondern er bestätigt sich auch, wenn wir die indigenen Pflanzen, die entweder den Azoren eigenthümlich sind, oder ausserdem nur noch auf Madeira und den Canarien vorkommen, für sich allein ins Auge fassen, da selbst die spezifisch einheimische Flora auf dieser Inselgruppe ein entschiedener europäisches Gepräge als auf den beiden anderen trägt. Es dürfte deshalb nicht ohne Interesse sein, die drei genannten Inselgruppen, so wie früher hinsichtlich des Klima’s, jetzt auch in Betreff ihres Pflanzenkleides mit einander zu vergleichen, um festzustellen, bis zu welchem Grade sie sich nach ihren characteristischen Merkmalen dem südlichen Europa anschliessen oder davon abweichen.
Der folgenden Zusammenstellung 1. (Azoren) ist die Flora azorica von Seubert zum Grunde gelegt, welcher C. Watson später eine Anzahl Arten zu- fügte, die sich in seinem durch die fleissigen Sammlungen des Consul Hunt vervollständigten Herbarium vorfanden. Die Angaben der letzteren sind ab- gedrucktin Hooker’s London journal of botany. Vol. III. p. 582 und Jahrgang 1847. p. 380.
Für die Zusammenstellung 2 und 3 (Madeira und die Canarien) benutzte ich eine Liste, welche Prof. Heer nach seiner Reise nach Madeira nach dem vorhandenen Material und nach eigener Beobachtung angefertigt hatte.
46 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert. I. | m. [110] ıv. | m | 81 DOOYTVIGENULT DE IN Se Indigene 5 Bene £ en ES:S|Ig2|IS . au = E <=: 355/85 5 5 E zS ee 3 ee 1. Azoren ee 3: - FE Ela se sı8le asers 7 | .j88 =|&|= u |E2 52230 Ela Su Fe, bi BEINE le helles Bee ih: I 3 |aolsssa SZ 2 « - > es) nn |< z=r|o = < (ae Equisetaccae | ß en Polypodiaceae.. . Ka Tai nor oe to ON ee Lycopodiaceae zatrenier | i 2 1 1 12) i Gramineae A ED on 2 9 N! 1 Cyperaceae . . . To Lö 5 ee le ge Juneede. . .. . Si pres |, Inc 5 2 2 Tuadeseiuenit.t Bra, Kasrıa liacese.:....5% I pe pe 3 1 Dinilaceae .\. 2. a ee 1 Örchideae... .. ee 1 Naiadeae A 4 A Lemnaceae TE > Apcliaik : Aroideae FR aus hr IRRE Coniferae (Cupres- sineae) . . ae a Lilian 2 Ceratophylleae Be er HR 1 | ; Caliitrichineae ER er I | Myricaceae Be te | u er Empetreae Sa Ha ia N kg Euphorbiaceae Reel Urticaceae 2 bee 1 hal Phytolacceae a 1 1 Salicineae . . ... a asia 2 ® s Chenopodaceae . FERIEN { Amarantaceae . . ER UBER PR: l 2 2 Me Polygoneae . a A , 5 1 Nyctagineae. .. 1 Baunneae.... u 2 Daphnoideae 1a\=% 3 Plantagineae 4 3 3 Plumbagineae Re ; ala Dipsaceae . Da ge a | Be Compositae . . 75 17-2670 18 Campanulaceae . 1 Br l Rubiaceae: . .. ; 4 l Lonicereae i 1 l Jasmineae . 1 : Oleraceae . . . . l : ; Asclepiadeae le £ 1 l Gentianeae . . . ER | a | 1 1 | l Bes. Labiatae | BEARBEITEN | 31.13. [11 |126| 80 |'63 | 2] 1 a Page
3. Die Pflanzenwelt. 47
I. | a1. [am Tıv. | v. | v1 100) VI VOLTIK | X. IX TR Indigene Fi re 5 = s 23 E37 8 | & Sa 1. Azoren £ = = =< Sr SE B TE s® Er ee uuran, 3 ae | Se ls=mas © Vo rwane — > = Q = le s- 3 = = 5 2 EEE Fee ee ee + | en es) na |« ro ee | = ö 31.129 11.1826 | 80. | 63 1 1 2 4 1 1 Verbenaceae ; 1 t 1 Asperifolieae .. | 2 A| EA - Convolvulaceae . 3 3 1 2 Solanaceae ... A ER a! - 'Scrophularineae. |.2 EOr A, 7 Acanthaceae i 1 1 - Primulaceae. . . MEER BI Mer 3 Lee er | St Myrsineae. .. . EN a b : 3 DE | Bce....-12|1 2 M Umbelliferae 1 5 9 2 E a Pa, Were U aa BEE Er Ar; Crassulaceae .. a ar 1 1 Ranunculaceae . ze, Was. A . Papaveraceae .. Se | Se Cruciferae- 2 9 7 7 Resedaceae Me E 2 1 Violarieae... . . 5 A Dale t, Frankeniaceae. . zu 1 re | 1 Portulaceae . . . BAER: len i 1 Bohylleae. . 1.1.) |... 4 10.122|:.3 =Malvaceae !.. Sa er A 1 2 1 5 Beer... 1)* | 10) "3 Elatineae . 1 Polygaleae t 1 Alieinese. . . . ll Fhanmmese ... 1 | 2 Rutaceae ge 1 A Zygophylleae . . 1 1 Geraniaceae nr. 3 2 3 ae... .) 1 > Oenothereae .. BT | 1 1 Halorageae . .. . j 3 : Lythrarieae . . . N A I 2 12 652 Myrtäcese. ..... N EEE E 1 Amygdaleae.. . ENT 1 17 Rosaceae | e
: Bei > ar . a vEOR« ö ‘ Papilionaceae . . | Kal 122858 A bag 151 1.1180924. [57.103 2) 2] 3 Pe ı
82 381 13
Mn Zn 2255 a SS 2 ee ee Ge
476
48
Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Von denjenigen Pflanzen, die in Europa und ausser Europa in VII. bis xIe® vorkommen und die aus 394 Arten bestehen, sind 269, also etwa %, auch in Madeira, in den Canarien oder in beiden Archipelen gefunden worden. ;
2. Madeira |
EIER 2
' Madeira, Canarien
| Madeira, Azoren
| Madeira
(:0. ).] vl] VAR] PR. 1%.) 7.
=
AII.] XIV.| XV. I XV
| | | | | | | |
Lycopodiaceae. Ophioglosseae . Polypodiaceae . Gramineae ÜUyperaceae Commelyneae , Junceae . . Liliaceae Smilaceae . Dioscorideae. . Irideae ß Amaryllideae Noayede... . Orchideae . Naiadeae Lemneae Aroideae Palmae Abietineae Cupressineae Taxineae Gnetaceae . Callitrichenes . Myricaceae Urticaceae . Horeae Salicineae . Chenopodeae Portulaceae . Amarantaceae . Nyctagineae. . Polygoneae Laurineae . Eleagneae...
1}
D °*
ww e DD me
Arıstolochieae .
125] 4
= % er > Ep 2 = >> = — = D = ne. TE < E = = 4 5 = |2 = E S = © a, 5 3 _.|< < z°> = z2| | |Sglesfeıı 3 re E|l=% = | Su SZ = s Sg © |;:] |& 22] 5 s=|22 = |2° Se = = WE = 2 Lerse 1 = E FB; “ |&2|,|2 2 legen E = = a = ee | s= a | ss = | E Br = o | © | =. |= = = Ü = o a E „L > er _ — L TI _— 4 — = z Eu z - a Teaed ' = 2 ' 2 1 = = = = Sea = <|lz2 2 |= 2 2 4 2 a <|E|a |<|oS |a | 2.428 Ni | on = - ce 2 1 he 1 . . . . . 1 . . I: . I} . . . . AEBSErEe 2. | . Eee 23 2 } E ek 1 1 : & > [2 * . | . . . [2 * . | [2 . 1 . . . ”. a [3 [2 [2 . - [2 an . . . . =, 1 . [ . . [2 . [2 . [2 [2 1a [2 ” . [3 2 2 1 . . . * [2 [2 1 . E . . [2 . 1 1 [2 . . . . > . . [} [2 . 1 . . [3 . . 1 . >. . 5 N . . . [2 . [2 . . [2 2 1 - 4 3 [} [2 [7 [3 * . . 2 1 | 6 1 > . : 1 6 | | | . * | 1 [2 [3 [ [2 * * [3 [2 . [3 |72]81]61 | 3| 1] 4|j2|2| ı Vz
3. Die Pflanzenwelt.
49
1. | I. | l..| 1v. | V. | VI | CO) | VL. | VIII 1X. |X%.] X1. |XI2. [XII] XIV.| XV. | X VI. Indigene 5 Ele nn nenn gi Fr) — : = < 5 <= „en © = s 2: s 22 Sa - - 2. Madeira BE AS 5 San le Eee eo 3 z E 7 en & we Fa ae: =| a ee ae Be za. alelelee et sa Ale Se NENBUSDEIEET EN IR Plantagineae aa a ae re 3 si Ha ae Plumbagineae . EIER ae 2 D Sl we :.|.|.1.1. 118 Skin Bmeleae. |. | .|..4 .13|%2 Be mee. |. |. | 11. |. 1. er lee Bee... | 18 1 | 51°.) 25] 27 °29| 3 be Er Bhacae.. |.) .1.)|. ai i ra Sud Campanulaceae | . | . : 3 2 | nn Ericaceae . a a IE 1°: 2 un Sapotaceae a Ei as Benare..ı.ı.:21. 2]. 2 AN neese. |. |.) 1.1. |. ; Ba Bere... |. |. |: | ztte. | l : ler Br... 6.154) a8 1925 l re Pomsmnkceae.| .| .-|ı.|. 1 | 1 Se Orobancheae a | Ne: sur 1 naR7 ee Serophularineae | 6) . 11).!5|8 si u: Beresnlaceae | 1-):. I 21 2118| ..4 le Eee...) . |. eliaa) o l Re Sr Solaneae. .. . Re ya ee" 7 B-.. 14-1 a Nie Heliotropieae . | . | . | 25 2 Dee Ra Ne la Boragineae Bell. 22,5 5 ER Gentianeae u \ | lg 1 a Asclepiadeae Se 1 L| le Apocyneae I SR ME So re 2 PUR Mae: een 2. rl. | er ; En tlokacese. |. |. |. .]|ı : Na Dee A re re ee Bu 1 AR Inne Bamae.:.1...|14 Be 5 BE Umbelliferae 3 eg 6 Bam ni Blacee. ..ı\...).ı. 2er - er Ranunculaceae F Be ae 1 Re Papaveraceae Mer aussi 1 u Fr maeeae. |... .14.4 . lege re... | 6/1) 1 |-.-| 14 121.13 BIN A Resedaceae 2 1 ji Es Fer...| |. l l | er Cistineae Se a 1 x . . Violareae . . me, . Be : Er I re Be l..: a 37 | iejmtrsskrs psp tr 6 82 1 ı Li Hartung, Azoren. 4
50
Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
1. | m. | m. | ıv. | v. |v2.|c 0) | van | VII.) 1X. |X. | X. | XII. |XIILIXIV.| XV. IXVE Indigene € | = . m En = ae 5 <<. = = ie 3 = 2.8 3 25 - = g | =) E = = Ss SZ Eeels = a 2. Madeira ne = n ! et = E38 = |5:[53 818 MER: ne > = |e27 SE ve Behr: = | S2 SlEıs — l& el7 Re agsT a |= 2 E Se =) En n On Z, x 89 oo = © ei © © = o = 3 5 er = = RR © & |E80 he ala =) =) = 3 81815 1r°|)AlJ3<0|2 ee en je VE Zi Peer ee a a a 3 Zu <)|E aA | <)5 | 06 (es 716,7. 32 EA IE 185.178 89 1 67.3. 42 1 1 # 1 Frankeniaceae . l > j I 1 £ Hypericineae . 1| | 4) : ’ Paronychieae 3 14.7 > F j Succulentae . . 1) 3 Del ; Saxifrageae A 1 - ! Fuchsieae . : : l F Lythrarieae . ß 1 1 2 : Önagrarieae . . DE" 1 | e i J Myrtiflorae 2 1 £ ö R £ Malvaceae. . ; ; B3 1 | 2 ; h R a Geranlaceae . . 1 6 3 5 e h | n f . ; nee IP N | ee Dxaldeset ©: .\., S Tin BEUTE 1 : ! z 1 Euphorbiaceae ” ! l 4. 8 Br NH 5 i “. Rhamneae . ; 1 ; x ß . ; £ Celastrineae . . RE N R - x 2 £ Aquifoliaceae . Eid l a. Al; 2 Pittosporeae 1 Be RS Rutaceae Ss ie. N ! ; R Zıygophylleae 1 1a] 5 ; : 2 Pomaceae . . . 1 A ; h : i > Amygdaleae } i L 1 ; : ! - Rosaceae { - S% 1 1 5 k } Leguminosae 11 UL. 1 721.413 2001 Aa f Caesalpineae El; 1 Mimoseae . ; FE } 4 ; er we ; su ion [105] 9 [45] 18]224]261218)] 14| 3 | 9 |4] 2 | ı | pen ee a — — Te — u - 1.7. 485 38 Nenn Fan en m nem De a a mn mann na sem na
. . ei z u Ze Eu E 3 A Te nn Be U dl a u
j PP CE We eV 4
3. Die Pflanzenwelt.
51
DIT IE EEE IE INTERNEN Indigene er 5 ee E E S Een = z 3. Canarien 5 5 < e R = = 5 | E 5 = | *|: a |: >| ® ae E S BEE maı nah eNas ai nı..de |* Eıs|3 Lycopodiaccae | 1 1 ; | ER RR Ophioglosseae | . ik 1 1 ACH 45 rate); Polypodiaceae 12 2, 102,2 Ki 10 a Lo Gramineae . . 4 24. 5 34 34 1 1 Kadıs Cyperaceae 1 11 a l raue Commelyneae \ i R i l Ile Junceae 3 3 2 ) \ en Liliaceae.. . Sl ? a 4 2 N 9, Smilaceae anın3 1 % 1 x mr Dioscorideae . | . ek F { RUHR VE Iideae. ... Er ao F 4 2 . I Amaryllideae. | . e" N 1 BE ae... 1).| am Orchideae DIN 3 3 1 Sul Naiadeae. . . i 2 1 | Br Lemneae. .. N 17 > Ä le Talmae, ;.. y £ 1 1 she Abietineae . 1 k Re: Cupressineae. | . A 1 } ß aller Gnetaceae Re < i 1 1 ee Callitrichineae : ß rm Az siles Myriceae...| . \ 1 P : | ee >. Amentaceae b i ; 5 IR s { PR Urticeae .... Ban. h 1 3 Dee] tele Horeae. | } s 2 1 1 Fl Salicineae E 1 i 5 ; ; : : s i . Chenopodeae. | 2 | 2 ul Sen ı E 1 le. 1 u er Amarantaceae h N 4 3 2 3 EN 2 e - Polygoneae ag 6 6| 10 1 le Laurineae 3 1 i ; \ ; Thymeleae . . i z 1 1 zalise Santolaceae : 5 1 1 sagst Arıstolochieae f R 1 Ä 1 1 S j ; Plantagineae . a! Ä 2 4 5 1 BE Plumbagineae ) | : 1 1 2 a ; i Dipsaceae 3 A | Kir: 5 ee Valerianeae 5 f 4 Globularieae . | . 1 } | k : i . Synantherae . | 53 | 6 | SI 734 9 | Lobeliaceae . | . | AR RR Pal. lat. es er 5 89 sis Tas 2 jr in]. | Seen
4*
52 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
0) | vi. | VII.| IX.
ö El ah ii da di mc en 2 = 1.0 u > 2 a ae
Umbelliferae . | Araliaceae . . Ranunculaceae
E-. | a8] 120: az Ev X. | XL. | XH. |XII.| XIV. XV. Indigene Fi | = ae . = = a 4 = 2 N ‚e Er >= SS = [77 3. Canarien = 3 Ze a s 3 ” o u . ae: e-7 — en S SA: ee he nr R E ee ee A ea u = Par} = = rn Er n oO = y> 2. - = = == 1% BETEN SET Re = | = ee > = = = = je) mat = Ss 2 = 1 [= 2 = = S S = S 2 l = = Rn = rt © © = = iR = BrImE a S = 12 s|e| 22) eerze oO oO oo 63} un >>; oO < = fe) Es = 2 = Z 96.122 s | 99 157 132| 2 Jasolalılı >|21J1 Campanulaceae La 102.8 Br 2 EEE Ericaceae .. ae 2 2 Primulaceae .|.. BL SEA »£ 9: 1 2| i £ 1 Myrsineaceae. | 1 ; h ; 5 A ö f Verbenaceae . a . . o Bi 1 > 3 " 0 Tabiatae . . DA 5 l 1 a WR Br, 2 Acanthaceae . 1 2 | l Orobancheae . Bde. ı 1 2 eg Scrophularineae .8| 1 a Li : Convolvulaceae| 8 Fi: 30-4 i Cuscuteae 1 ar 3: 1 ie ; B . Solaneae . . . 3 1 4 ZIG N 1: oa Heliotropieae 1 kt; l 1 3 Boraemeaer,. |, 121 171. hs 30.91, Gentianesen. 1. ee 1 3 3 e R Asclepiadeae . 0; al 1 Ian! R Rubiaceae > 6 4 3 f ; Caprifoliaceae 2. e ] , | | Olemeae '. ." a1: . ; 1 N a | Jasmineaei +... 1 \ | |
Papaveraceae . Fumarlaceae . Cruciferae . . Resedaceae. . Curcubitaceae Oacteae
Cistineae. . .
Violarieae . . DIE k 1 2 Tamariscineae 2 : : RR
tQ ®
DD m —S . mm DM OU _
D 2 D) Zu ee ll El nl nn DA LU 2 AL EL Pal. in ade ne
Frankeniaceae Hypericineae. Paronychieae . Caryophylleae Succeulentae . | 2 Lythrarieae
Halorageae.. .
(0 ol S> nn BUS,
y
NN u ni ne “
Pe — . ww le ot . ae 6) . EN) DD I) . ° . ® [2 . . . [ . . . . . . . . . . » . . . . eo ® [nn . . [ . . . . o C} eo o . o. . [} . . . . . . . . o . . o [} [ . ® NE FE Er "VEREIN EEE BEGEGNEN EEE BE En ee ee ng U I — . . . . . . ° . . . . D . . . . . ° . ® . . ® . ® [) 0 . . ® ® C) [ ® . ®
|
2.822 1 BERuULI:
3. Die Pflanzenwelt. 53
FIR RES IV I VIE VETC OSUTEE [VII ICH®
“
Xl. | X11. | XIII.| XIV.) XV.
Indigene 3 en ne) un E EB 5
5 Tel : & E
= S & = . 2 2 2 3. Canarien = 5 2% ao - < ä | & P =.\.= | ® Se & 3 = = Ei En B A = N = S - “ 5 Be = = be = p u Se Be Dee EIis|2 = jaja) Zain 11018077 272.124 | 2152, 2 1 1 1 5 3 1 ÖOnagrarieae Ä Ball A TR Ra ee Malvaceae . 3 3 3 1 a ze N Büttneraceae . | . Ra 1 ; SE en ee Geranlaceae . | . 1 Bir 6. . RR > Bmeseı....|.. i 2 2 ER a RE I ee | ; Eosahdeae. :; . |. . a ae 1 e ee Euphorbiaceae | 6 1 4| 10. 4 Dad sta er Als ee Rhamneae . A B Bar: t : ß : : a „Ele t ö Celastrineae Bes \ SENT Aquifoliaceae 11 1 ; - N a ee le le Pittosporeae 1 : Bl de ar ea Ser T'herebinthineae ; el wa ns Te Re hl a Ze Rutaceae . 1 A, i - Be : } Zygophylleae. : 1 1 22 EEE AR ee Casuarleae ... ? Dale „D Eis; a ee: - Pomaceae N ; Er 1 ; ve a a leer PAmyedaleae .| . ie 1 } a a Rosaceae . . . DEN En lasch : BE a RE a ? £ Desummosae »| 25/| 1| . | - RAR ea SL 1 SEA DR: So SB EL RE en MH REN,
Caesalpineae . | . cn. i EIER De EN: Mimoseae .* |... ; Ä ! 1 A| eh ie Er 1269] “1 Se is[zir 21430700] 2 af oil] a tal
338 Frag Fr eh ie Au N Ei nn
977
In der nachfolgenden Tafel ist das Ergebniss der oben mitgetheilten Listen übersichtlich zusammengestellt.
Die 9 Inseln Madeira Die 7 Inseln
der Azoren u. Porto Santo) der Ganarien
. Breite |36" 59’ bis 39044] 32023” bis | 270 37’ bis
33° 6° 23025
Es kommen vor: Jahreswärme | 1 7,0°,Celse EIS SRCEI=. | 21,7° Cels. Auf einer der drei Gruppen... : 2...) 748 105 269 Auf zwei oder drei Gruppen g oleichzeitig BE 34 72 64
82 1 177. I—— 1333 In ganz Europa a EEE MEERE WORTE CD! 224 214 In Süd-Europa . NETTE WIESN, | 261 367
ARTE» ser 18 581
54 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Die 9 Inseln Madeira, Die 7 Inseln der Azoren u. Porto Santo| der Ganarien Breite 136059’ bis 390 44°) 320 23” bis | 27° 377 bis | 330 6’ 290 5° Es kommen vor: Jahreswärme 17,5° Cels. 18,3° Cels. | 21,7° Cels. Ausser Europa in N.-Afrika, Aegypten, Orient 113 218 290 Auf den Canarien und Cap Verden . B In Afrika, Arabien, Abyssin. 6 14 41 der: tropischen u. subtropischen Zone. 3 3 Br „, Ost-Ind., Japan, West-Afrika, Amerika l 1 1 e De indıen, Chalı a .n.r:,2@ 2 -,, Ost-Indien, China Sr 1 ,, Ost-Indien . 2 s» West-Indien :. 1 „, Indien und Afrika 1 »elndien: ; 1 ,„„ Mexico, Peru, Philippinen, 2 Marianen, "Cap. 1 », Ost-Amerika, trop. Inseln d. stillen Meers 1 „, Brasilien, Be, Ta: a 1 », Nord- Anka A l „; Nord- und Süd- Amerika : 13 rs 10 — 38 densKaukasss Ländern. 1... I au! 2% 1:78 1.476 |. .[7o0of
Wenngleich die Verzeichnisse der drei Gruppen noch nicht vollkom- men abgeschlossen sein dürften, so sind sie doch als vollständig zu betrachten und jedenfalls insoweit, dass das in der obigen Uebersicht gegebene Verhältniss als stichhaltig angenommen werden kann. Aus dieser ist es auf den ersten Blick ersichtlich, dass sowohl die echt indigenen als auch die in Europa, Afrika so- wie die in andern Theilen der Erde gefundenen Arten auf den drei Gruppen in einer Weise vertheilt sind, die ihrer geographischen Lage und ihren klima- tischen Verhältnissen entspricht. Von den sämmtlichen Arten der Azoren sind ”/, in Europa und zwar zum grösseren Theile auch über Nord-Europa vertheilt, während von den Arten der Madeira-Gruppe und der Canarien nur etwas über ®/, und mehr als die Hälfte oder weniger als °/, Europa und zwar zum grösseren Theile ausschliesslich der südlicheren Hälfte oder den Mittelmeerländern ange- hören. Und dann sind übereinstimmend mit der Lage gegenüber den West- küsten von Europa und von Afrika von den auf den Azoren und in Europa vor- kommenden Arten nur etwa “,, von den auf den Madeira-Inseln, auf den Cana- rien und in Europa gefundenen Arten aber die Hälfte ebenfalls über Nord- Afrika, Aegypten und den Orient verbreitet. Die Zahl der afrikanischen Arten, die auf den Azoren vorkommen, ist kaum halb so gross als auf Madeira und be- trägt nur etwa ', von denjenigen, die in den Canarien gefunden sind.
Wie Seubert in der Flora azorica bemerkt, würde es schwer halten,
3. Die Pflanzenwelt. 55
unter den wildwachsenden Pflanzen die eingeschleppten und verwilderten von den einheimischen zu sondern, und gewiss ist es nicht gewagt zu behaupten, dass in dieser Hinsicht überhaupt keine scharfe Gränze gezogen werden kann. Es dürfte deshalb genügen, wie soeben geschehen, darzulegen, in welcher Weise die Floren der einzelnen Gruppen mit derjenigen von Europa und Nord-Afrika übereinstimmen und dann die Vertheilung solcher Pflanzen ins Auge zu fassen, die sich dadurch als entschieden einheimische erkennen lassen , dass ihr Vor- kommen auf die genannten Inselgruppen beschränkt ist. Die Zahl dieser Arten ist schon bedeutend genug, um nach ihr allein vertikale V egetations-Gürtel für die einzelnen Archipele feststellen zu können, was um so cher zulässig ist, da, wie die Berichte der Entdecker und die Durchforschung uncultivirter Oert- lichkeiten lehren, gerade solche endemische Gewächse nach der Zahl ihrer Individuen ursprünglich entschieden in den Vordergrund traten und den Character der Vegetation vorherrschend bedingten. Von allen drei Archipelen haben die Azoren nicht nur nach der absoluten Zahl, sondern auch im Ver- hältnisse zu ihrer gesammten Flora die wenigsten indigenen Pflanzen aufzu- weisen. Denn während die Gesammtzahl ihrer Arten %, von derjenigen der Madeira-Inseln und etwa die Hälfte von derjenigen der Canarien ausmacht, so beträgt die Zahl der indigenen Arten nur '/, auf den beiden letztgenannten Archipelen aber Y, und '), der ganzen jedesmaligen Floren. Ebensowenig mannichfaltig wie die Flora ist auch die Fauna dieser Inseln, welche, nach den Untersuchungen der beiden französischen Naturforscher Mess. Morelet und Drouet, im Verhältniss zu der Madeira-Gruppe und den Canarien nur eine geringe Zahl eigenthümlicher sowie fremder Arten von Insecten und Conchy- lien enthält. Die Einförmigkeit der Flora ist wohl hauptsächlich durch die klimatischen Verhältnisse, zum Theil aber auch durch die Oberflächengestaltung der Gebirge bedingt, deren höchste Gipfel auf manchen Inseln sich kaum bis oder über 2000 Fuss, auf den anderen bis 3500 Fuss erheben, während nur der vereinzelte Kegelberg von Pico eine Höhe von über 7000 Fuss erreicht. Ausser der geringeren Erhebung, die auf den dem Winde abgekehrten Seiten weniger Schutz gewährt, muss auch der Umstand berücksichtigt werden, dass einzelne Inseln oder Theile von Inseln gar keine oder nur unbedeutende Schluchten enthalten. Die Insel Flores, welche auf allen Seiten tiefe schattige und von Gebirgsbächen durchströmte Schluchten aufzuweisen hat, ward, wie schon der Name anzudeuten scheint, seit der Entdeckung und Besiedelung wegen ihres Pflanzenreichthums, der sie noch heute auszeichnet, gerühmt. In Folge aller dieser Ursachen finden wir auf den Azoren gewissermaassen nur die Anfänge oder die Vorläufer jener eigenthümlichen subtropischen Inselflora, die auf der Madeira- Gruppe eine grössere Ausbreitung erlangt und auf den Canarien vollständig entfaltet auftritt.
56 “ Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Auch auf der erstgenannten Inselgruppe ‚bedeckten nach den ältesten
Berichten die immergrünen Wälder (Sempervirente der Canarien) ebenso wie in Madeira den grösseren. Theil der Gebirgsabhänge und reichten, während nur Gebüsche die höheren Gipfel krönten, an vielen Stellen bis zum Meere herab. Allein diese Waldungen unterschieden sich sehr wesentlich von denen Madeira’s, einmal durch die Zahl der Arten, und dann durch die Grösse der Formen. Von den 13 Baumarten und 9 grösseren indigenen Sträuchen jener südlicheren Gruppe treffen wir auf den Azoren nur 5 Bäume und 5 Sträuche, während das Vorkommen eines sechsten, des Jasminum azoricum, nach Seu- bert unentschieden ist. Unter den Bäumen müssen wir zuvörderst den in der Flora azorica als Persca azorica aufgeführten Laurus canariensis erwähnen, den Seubert selbst nur einen ‚‚Arbor mediocris‘‘ nennt. Und wirklich erreicht dieser Lorbeer, der auf Madeira und in den Canarien als stattlicher Baum auf- tritt, in den Azoren nur eine unbedeutende Höhe. Die Myrica faya, welche auch in den südlicher gelegenen Gruppen keine bedeutenden Bäume bildet, hat auf den Azoren meist nur das Anschen eines grossen Strauches. Ebenso treten die Picconia excelsa und der Ilex perado, während sie in Madeira und auf den Canarien Bäume darstellen, hier mehr in der Grösse ansehnlicher
Sträuche auf. Und endlich bildet der Juniperus cedrus, der in den beiden
andern Archipelen als hochaufgeschossener Baum genannt werden muss, nur - kleine in den Ansichten Tafel VI., VII. und X. abgebildete Bäumchen, die bei umfangreichem Stamm doch nur eben die Höhe eines Strauches erreichen. Die Stämme, welche unter Tuff- und Bimsteinmassen verschüttet liegen und daher lange vor Entdeckung des Archipels gewachsen sein müssen, lassen
trotz des oft bedeutenden Durchmessers keineswegs vermuthen, dass die Wälder früher aus höher aufgeschossenen Bäumen gebildet wurden. Eine solche An- nahme erscheint um so weniger zulässig, da auch die in den Azoren gepflanzten
Bäume nirgends so hoch sind als dieselben Arten in Madeira und in den Cana- rien. Die Dracaena draco, jener. eigenthümliche maderesisch-canarische Baum, der nach Seubert auf den Azoren nicht wildwachsend vorkommt, steht hier und dort in den Gärten in kräftigen Exemplaren, die sich indessen vor den Individuen derselben Art in den südlicheren Gruppen durch ihre geringe Höhe auszeichnen.- Dann fällt es dem Fremden auf, dass Bäume wie die Castanea vesca, die Pappeln, Wallnüsse, europäische Akazien (Robinia pseudoacac.) und andere bei mächtigen Stämmen und umfangreichen Kronen, also bei sonst kräftigem Wuchs durchweg verhältnissmässig niedrig bleiben und nur aus- nahmsweise an besonders geschützten Stellen eine ansehnlichere Höhe erreichen. Es ist gewiss, dass die gegenwärtigen aus indigenen Bäumen und Sträuchen zusammengesetzten Gehölze der Azoren, denen man, wie Seubert anführt, nicht Zeit lässt, sich vollkommen zu entfalten, nicht gerade ein richtiges Bild der
N
- : ‚
3. Die Pflanzenwelt. 57
' ursprünglichen Bewaldung gewähren können. Allein wenn wir die oben an- geführte Thatsache berücksichtigen, dass selbst europäische Bäume in Gärten und Anpflanzungen vorherrschend nur eine geringere Höhe erreichen, und wenn wir ferner die einzelnen an günstigen Stellen übrig gelassenen indigenen Bäume betrachten, so müssen wir annehmen, dass die ursprüngliche Be- waldung der Azoren, ausser den später zu erwähnenden Ge- sträuchen, nur wenige unansehnlicheBaumformen aufzuweisen hatte, die mehr die Grösse von bedeutenden Sträuchen alsvon hochstämmigen Bäumen erreichten, und die sich jedenfalls
durch unbedeutende Höhe von denaufMadeira und in den Öa- narıien wachsenden Individuen derselben Arten auszeichne- ten. Diese Erscheinung, welche bei der Oberflächengestaltung der Inseln durch die klimatischen Verhältnisse erklärt werden muss, mag zum Theil durch die andauernden und heftigen Winde hervorgerufen sein, die in der Flora azorica als das hauptsächlichste Hinderniss angegeben werden, das bei sonst günstigen Bedingungen der Entwickelung des Pflanzenwuchses entgegentritt.
Unter den Sträuchen der Azoren ist zunächst der ansehnliche Rhamnus latifolius zu nennen, dessen Stelle in Madeira der Rhamnus glandulosus ein- nimmt. Dann treffen wir ausser dem Vaccinium maderense, dem einzigen, das auch auf Madeira. aber nicht in den Oanarien eine grosse Verbreitung erlangt, noch zwei andere, das V. longiflorum und V. cylindraceum. Als steter Beglei- ter dieser Heidelbeersträuche müssen wir hier die südeuropäische Haide, die Erica scoparia anführen, die von Seubert als einheimische Art, als Erica azorica beschrieben ist. Diese Erica wächst zu schr ansehnlichen Sträuchen von 10 bis 15 Fuss Höhe empor und kommt ebenfalls als Unterholz sowie auf höhern Bergen auch in Madeira und in. den Canarien vor, wo sich ihr die Erica arborea beigesellt, die da, wo die Lorbeer- und Ilex-Arten bereits Strauchformen an- nehmen, Bäumchen mit Stämmen von 1 bis 2-Fuss Durchmesser bildet. Als kleinerer Strauch wächst in der Waldregion der Azoren der Rubus Hochstette- rorum, der jedoch ebenso wieder Rubus grandifolius von Madeira, von vielen Botanikern nur als eine auffallende eigenthümliche Varietät des Rubus fruti- cosus angeschen wird, welcher in beiden Archipelen in den Gürteln der euro- päischen Cultur wuchert. Bei dieser Gelegenheit können wir gleich einen andern kleinen südeuropäischen Busch, den Myrtus communis anführen, der auf den Azoren selten, auf Madeira aber ziemlich häufig die Gebirgsabhänge bedeckt.
Von den zahlreichen Gattungen, die in Europa als Kräuter, in Madeira und in den Canarien aber mit verholzten Stengeln oder als bald mehr bald weniger ansehnliche Sträuche und Büsche auftreten, ist auf den Azoren zu- nächst die Euphorbia mellifera anzuführen. Dieser eigenthümliche Strauch
58 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
hält jedoch hinsichtlich seiner Grösse keinen Vergleich aus mit jenen Indivi- duen, die in der Waldregion von Madeira wachsen. Dort, in Madeira, gesellt sich der genannten noch eine andere Art zu und auf den Canarien kommen im Ganzen 6 oder 7 Arten vor, deren überaus ansehnliche Formen schon lange als eigenthümliche Erscheinungen bekannt sind. Von den übrigen zu europäl- schen Gattungen gehörenden indigenen Arten der Azoren zeichnen sich nur wenige in ähnlicher Weise aus, während in Madeira, die Bäume und Sträuche der Wälder abgerechnet, etwa die Hälfte der übrigen indigenen Pflanzen ver- holzte Stengel aufzuweisen hat, und die Hälfte dieser Anzahl wiederum kleine Sträuche oder Büsche bildet. Dieser Unterschied trıtt natürlich um so klarer hervor, wenn man die Azoren mit den Oanarien vergleicht. Dann vermissen wir in der ersteren Inselgruppe auch noch jene eigenthümlichen subtropischen canarischen Gattungen mit europäischem Gepräge und tropischen Formen, von welchen schon einige auf Madeira vorkommen. Ausser ein paar Büschen von Hypericum und dem Solanum pseudocapsicum haben noch wenige andere verholzte Stengel und zeichnen sich einzelne wie Ranunculus cartusifolius, Senecio malvaefolıus, Senecio maderensis durch auffallende Formen vor den gleichen Gattungen aus. Die Mehrzahl der indigenen azorischen Pflanzen tritt unter den mehr oder weniger ansehnlichen Gestalten und Formen europäischer Arten auf.
Anders gestaltet sich dagegen auf den drei Archipelen die Vertheilung der indigenen Gräser und der Sauergräser. Es kommen nämlich vor:
Auf den Azoren, auf der Madeira-Gruppe, auf den Oanarien.
Gramineae 6 nl 4 Cyperaceae 5 3 Junceae 2. 2 y)
Wenn schon die Zahl der indigenen Gramineen im Vergleich zu den indigenen Floren der drei Inselgruppen auf den Canarien am geringsten, auf den Azoren aber am bedeutendsten ist, so muss auf den letzteren noch mehr die grosse Zahl der Arten aus der Familie der Cyperaceen auffallen. Und hierin zeigt sich ein anderes characteristisches Merkmal, welches die Pflanzendecke der Azoren vor derjenigen der beiden andern Gruppen auszeichnet und ihr ein entschieden europäisches, ja man könnte beinah sagen nordeuropäisches Ge- präge aufdrückt, Diese Eigenthümlichkeit besteht darin, dass auf der nörd- lichsten Gruppe die indigenen sowie die europäischen Gräser und Halbgräser eine ungemein grosse Verbreitung erlangt haben, die sich durchweg entschie- den durch die Menge der Individuen, wenn auch nicht immer wie bei den indigenen durch die Zahl der Arten kund giebt, da auf den beiden andern
Archipelen wohl in Folge grösserer Verschiedenartigkeit der Bodenverhältnisse
3. Die Pflanzenwelt. 59
die europäischen Arten ebenfalls zahlreich auftreten. Es kommen von euro- päischen Arten vor: auf den Azoren, auf den Madeira-Inseln, auf den Oanarien.
Gramineae 42 51 58 Cyperaceae 13 10 17 Junceae 7 6 5
Doch ist auch in dieser Hinsicht die Zahl der Arten auf den Azoren verhält- nissmässig am bedeutendsten, da sie etwa ’/;, auf den Madeira-Inseln etwa Y,, und auf den Canarien nur Y,, der gesammten jedesmaligen Flora beträgt. Wenn man in dem erstgenannten Archipel von der Küste her die mit Steinwällen eingehegten Felder durchschritten hat, gelangt man auf Grasflächen, die mit Viehheerden besetzt sind; auf dem Hochgebirge wachsen die Sträuche und niederen Bäume auf grünem Rasen oder wechseln, wo sie zu Waldungen vereint sind, mit dem Graswuchs ab. Selbst die jähen Umfassungswände der Caldeira’s sind, wo nicht Gebüsche an ihnen haften, bis auf wenige senkrechte Felswände überall mit dichten Moospolstern und Grasdecken überzogen. Gewöhnlich sind solche steile Wände, wie die auf der rechten Seite der Ansıcht Tafel V. hinter der Oaldeira grande, und wie die im Mittelgrunde der Ansicht Tafel IX., Wände die unter Winkeln von 55 bis S5 Graden abfallen, mit einer aus wenl- gen Arten bestehenden Grasdecke bekleidet, die dicht geschlossen sich wie ein sammtener Teppich den Bergformen anschliesst und nur hier und dort in oberflächlichen Regenrinnen zerrissen ist. Auf dem Hochgebirge geräth der Reisende, wo sich sanft geneigte Flächen darbieten, in versumpfte Stellen, die selbst an steileren Abhängen nicht fehlen, wie unter anderen da wo der Kegelberg von Pico der breiteren Grundlage aufgesetzt ist. Es hat also der eigentliche Graswuchs eine bei weitem grössere Ausdehnung erlangt als auf den Madeira-Inseln und in den Canarien, wo nur auf den Hochgebirgen einzelne Stellen mit Rasen bedeckt sind, während sonst die Gräser mit den jährigen Kräutern gemischt, also gleichsam wie Unkräuter, in den Feldern, an Wegen und unbebauten Stellen wachsen. Dagegen vermisst man auf den Azoren jene dürren Küstenstrecken, die schon auf Madeira und Porto Santo, namentlich aber auf den Oanarien und dort in grösster Ausdehnung auf Lanzarote und Fuertaventura vorkommen, jene Strecken der afrıkanischen Region v. Buch’s, auf welchen in grösseren Zwischenräumen nur Büsche mit meist fleischigen oder lederartigen Blättern und neben diesen kümmerliche Kräuter in so grossen /Zwischenräumen wachsen, dass man sie erst in unmittelbarer Nähe gewahr wird. Solche Küstenstriche, die man auf den Oanarien der Cochenille wegen hier und dort mit Opuntien bepflanzt hat, und die nur in regenreichen Wintern eine Getreideernte zulassen, sind auf den Azoren da, wo sie nicht mit Erfolg angebaut werden, ebenfalls mit Gräsern und Kräutern überzogen, die nur im
60 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Hochsommer, besonders in trocknen Jahren, während einer verhältnissmässig kurzen Zeit verdorren, um bald wieder nach den ersten Regen des Spätsom- mers in frischem Grün zu prangen.
So wie die Gräser kommen auch die jährigen Unkräuter bei unbedeu- tenderer Zahl der Arten in grosser Menge vor und bilden mit jenen an allen von den Waldungen und von der Cultur freigelassenen Stellen die zusammen- schliessende Pflanzendecke, mit welcher die Inseln bekleidet sind. Die Uep- pigkeit der azorischen Pflanzendecke wird also in echt euro- päischer Weise vorwiegend und beinah ausschliesslich durch die Zahl der Individuen bedingt, die auf einer bestimmten Fläche dicht gedrängt bei einander wachsen. In Madeira und mehr noch auf den Canarien tritt dagegen die Ueppigkeit der Vegetationnicht nur im Allgemeinen schon viel entschiedner in der Entwickelung der einzelnen Pflanzenformen hervor, sondern sie macht sich auch an manchen Stellen gerade nur durch die Grösse der einzelnen Individuen geltend.
Seubert nimmt in seiner Flora azorica am Abhang des 7613 Fuss hohen Pik von Pico die folgenden Regionen an:
I. Die unterste Region oder die der europäischen Cultur 0— 1500 Fuss. II. Die untere Bergregion oder die Region der Wälder 1500—2500 ,, TIT.»Die,ob&re Bergreslon ins a a ER: 2500-4500 ,, IV. Die Region der Büsche Aestisneh ....555:4500—=52005 V.:Die Gipfelregion ur u: a. rl een BZ
Bei weitem die grössere Anzahl der indigenen Gewächse finden wir in der zweiten Region, in der Waldregion beisammen. Dort wachsen als Bäume von mittelmässiger Grösse der Laurus canariensis, die Picconia excelsa und die Myrica faya neben dem Juniperus cedrus, der in der folgenden Region vor- herrscht und in der Gestalt von kleinen Bäumchen auftritt. Ausserdem be- gegnen wir sämmtlichen einheimischen Sträuchen, die das Unterholz in der ursprünglichen Bewaldung bildeten, den indigenen Farrnkräutern und man- chen anderen ebenfalls endemischen Pflanzen. — Nach dem Berichte der Ent- decker reichten die W älder, da wo die Oertlichkeiten es zuliessen, bis zum Meere herab, und noch heute trifft man an geeigneten Stellen einzelne Indi- viduen der meisten der zweiten Region angehörenden Arten auch in der ersten Region, in welcher ausserdem mehrere indigene Pflanzen nur ausschliesslich vorkommen. Und ebenso dehnen sich beinah alle die indigenen Arten, welche die Waldungen der zweiten Region zusammensetzen, nicht nur ebenfalls über ° die dritte oder die obere Bergregion aus, sondern bestimmen auch den Character der letzteren, da sie die übrigen derselben angehörenden indigenen Pflanzen an Grösse wie an Zahl der Individuen bei weitem übertreffen. Dagegen reichen
3. Die Pflanzenwelt. 61
auf der Insel Pico nur wenige jener Arten in die vierte Region hinauf, wo sie nur noch als niedere Büsche oder Gestrüppe auftreten. Es sind dies Juniperus cedrus, Erica scoparia, Ilex perado, und die Vaccinium- Arten. Von allen treffen wir nur die Erica noch in der fünften Region, deren oberste Grenze sie jedoch nicht erreicht. In dieser obersten Region kommen nur europäische Arten vor. Ausser der Daboecia polyfolia, einem Thymus, der in Madeira ein gegen 5000 Fuss hohes Tafelland bedeckt, und einigen Gräsern wachsen die Polygala vulgaris und die Oalluna vulgaris bis beinah auf den Gipfel des Pik.
Da nur dieser vereinzelte majestätische Kegelberg eine Höhe von über 7000 Fuss erreicht und da die übrigen Gebirgsmassen oft kaum 2000 und nur selten mit ihren höheren Kuppen etwas über 3500 Fuss hinausragen, so können in dem Archipel im Allgemeinen nur die drei unteren Regionen in Betracht kommen. Diese aber boten, wie wir annehmen müssen, ursprünglich vor der Colonisation nur gewisse nach der Erhebung oberhalb des Meeres verschiedene Abänderungen einer immergrünen eigenthümlichen insularen Bewaldung, welche die Inseln von der Küste bis zum Gipfel bedeckte. Diese Bewaldung war nach der Zahl der Arten, wie nach der Grösse der Individuen am voll- kommensten in einem zwischen 1000 oder 1500 und 2500 Fuss gelegenen Gürtel entwickelt. Nach abwärts traten dadurch Abänderungen ein, dass manche ‘ Küstenstriche sich nicht für Waldwuchs eigneten, aber dagegen anderen indi- genen Pflanzen einen geeigneten Standort boten. Nach aufwärts blieben die Baumformen des Laurus canariensis, die Picconia.excelsa, die Myrica faya ganz aus oder traten nur an der unteren Grenze der oberen Region als Sträuche auf, während der Juniperus cedrus hier noch mit am besten gedieh und die übrigen Sträuche in kleinen unansehnlichen Formen theilweise bis zu den Gipfeln hin- aufreichten. Ausserdem kamen die übrigen Pflanzen in verschiedenen Höhen vor und trugen durch ihre Standorte dazu bei, jene durch die Abänderung der allgemeinen Bewaldung angedeuteten Zonen deutlicher von einander abzu- sondern.
Ganz ähnlich gestalteten sich die Verhältnisse in Madeira, wo nach den ältesten Urkunden die Bewaldung vom Gipfel bis zum Meere herabreichte, weshalb die Insel den Namen erhielt, der ‚‚„Holz‘“ bedeutet. Doch war einer- seits die entschieden in den Vordergrund tretende Bewaldung aus viel zahl- reicheren und ansehnlicheren Arten zusammengesetzt, während auch andrer- seits die accessorischen Glieder der indigenen Flora eine grössere Mannich- faltigkeit darboten. Wenn wir die in Fructuoso’s Beschreibung niedergelegten Bemerkungen beachten und wenn wir die Waldungen, die noch auf der Nord- seite theilweise erhalten sind, sowie das Vorkommen der übrigen indigenen Pflanzen beobachten, so können wir daraus schliessen, dass zur Zeit der Ent- deckung die ursprüngliche Flora in der folgenden Weise vertheilt war.
62 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Die immergrünen Wälder, welche 10 stattliche Baumformen und etwa eben so viel Sträuche aufzuweisen hatten*), waren am vollständigsten und üppigsten entwickelt in einer Zone, die von 1500 oder 2000 bis 3500 oder 4000 Fuss hinaufreichte. Wie auf den Azoren erstreckten sich auch hier diese immergrünen Waldungen bis ans Meer durch die untere Zone, die indessen durch das Vorkommen mancher Formen sich schärfer von der vorhin genannten unterschied. Hieher gehören ausser der canarischen Weide und dem Drachen- baum viele indigene Pflanzen, die zum grösseren Theile mit verholzten Stengeln oder als kleine Büsche an den Felsenklippen oder auf dürren Küstenstrichen auftraten. Nach aufwärts von der eigentlichen die Mitte der Insel umfassenden Waldregion verschwanden manche der diese Region bildenden Bäume und Sträuche, während einzelne von den ersteren noch in verkrüppelten strauch- artigen Formen aushielten und ein paar von den letzteren als anschnliche Sträuche die Höhen bis 6000 Fuss bedeckten. Wenn nun auch ein genaueres Feststellen der Höhe, bis zu welcher alle die einzelnen Bäume und Sträuche sowie die indigenen jährigen oder perennirenden Pflanzen gegenwärtig hinauf- reichen, die Annahme von mehr Zonen oder Unterabtheilungen zulassen dürfte, so wird doch, besonders wenn wir die Schilderung der neu entdeckten Insel beachten, die oben angeführte Eintheilung, als in den Grundzügen richtig, beibehalten werden können Nach derselben hätten wir in Madeira:
I. Vom Meere bis 1500 oder 2000 Fuss die untere Region. II. Von 1500 oder 2000 bis 3500 oder 4000 Fuss die Hochwald-Region. III. Von 3500 oder 4000 bis 6000 Fuss die Region des Knieholzes und der Gesträuche.
Auf der Insel Porto Santo, deren höchster Gipfel noch nicht 2000 Fuss Erhebung oberhalb des Meeres erreicht, war die untere Region beinah aus- schliesslich durch trockne mit zahlreichen Drachenbäumen besetzte Küsten- striche vertreten und während die Hochwaldregion fehlte, bedeckte so wie in Madeira dichtes Gesträuch die Höhen und oberen Abhänge des viel niedere- ren Gebirges.
Wenn wir die ursprüngliche Vegetation der Canarien, die von den Guanchen bevölkert sich zur Zeit der Entdeckung wohl nicht mehr in dem Na- turzustande wie die beiden anderen vorher unbewohnten Archipele befanden, ebenfalls aus demselben Gesichtspunkte auffassen, so lassen sich bedeutend mehr zuerst durch v. Buch aufgezählte Regionen unterscheiden. Diese grössere
*) Es sind an Bäumen: (Cupressineae) Juniperus cedrus. (Myriceae) Myrica faya. (Laurineae) Phoebe barbusana, Persea indica. Oreodaphne foetens. Laurus canariensis. (Erica- ceae) Clethra arborea. (Myrsinaceae) Heberdenia excelsa. (Oleineae) Picconia excelsa. (Aqui- foliaceae) Dex perado.. Und an Sträuchen: Vaccinium maderens., Rhamnus glandulos., Ce- lastrus umbellatus, Chamaemelus coreac, etc,
3. Die Pflanzenwelt. 63
Mannichfaltigkeit wäre nicht allein durch die klimatischen Verhältnisse her- vorgerufen worden, wenn nicht auch gleichzeitig die Gebirgsformen einen bedeutendern Umfang dargeboten hätten. In Grande Canaria erhebt sich ein bedeutender Theil des Hochgebirges über 6000 Fuss, in Palma ragt das die gewaltige Caldera einschliessende Gebirge mit einer Höhe von 6500 bis über 7500 Fuss empor und in Teneriffa bildet die zwischen 6 und 9 bis 10,000 Fuss hohe Cumbre eine bedeutende von dem 12,000 Fuss hohen Pico de Teyde überragte Oberfläche. An dem majestätischen Gebirge dieser letzteren Insel lässt sich die indigene Flora nach v. Buch’s Auffassung in die folgenden Zonen vertheilen.
1. Die afrikanische oder subtropische Region, welche auf warmen meist dürren vor den Winden mehr oder weniger geschützten Küstenstrecken Stand- orte für eine ziemlich bedeutende Zahl von eigenthümlichen Formen darbietet.
2. Die Sempervirente oder die Hochwaldregion der beiden vorhergehenden Gruppen, die sich von der entsprechenden der Azoren schon sehr wesentlich, von der entsprechenden Madeira’s aber nur in verhältnissmässig geringem Grade unterscheidet.
3. Derselben schliesst sich nach Webb und Berthelot, ebenfalls so wie auf den andern Gruppen, eine Region immergrüner Gesträuche an, und über diese reicht hinauf
4. die Region des Pinien-Hochwaldes. Wo derselbe verschwindet, bilden
5. einige eigenthümliche Pflanzenformen eine Hochgebirgsregion,, über welche
6. der Pico de Teyde mit mehreren indigenen Arten als eine Gipfelregion hinausragt.
Die Vergleichung der indigenen Floren der drei Inselgruppen ergiebt
das folgende Resultat.
%
Azoren Madeira-Gruppe | Canarien
erhält durch eine grössere Anzahl von zum Theil sehr auffallenden Formen ein bestimmtes und echt sub- tropisches Gepräge.
durch eigenthümliche Gewächse, worunter
Bäume und Sträuche,
|bestimmt characterisirt,
nur durch wenige Pflanzen mehr ange- deutet als bestimmt
Die untere oder die Küstenregion
|
Ihat nach der Zahl der Arten und der Grösse, der Individuen beinah die vollständige Ent-
wickelung erlangt, |welche sie hier auszeichnet,
Die Sempervirente hat wenige Arten von
oder die Region des |verhältnissmässig ge-
immergrünen Hoch- [ringer Grösse aufzu- waldes weisen
Die Region der Be-
bedeckt das Hochgebirge kommt hier und dort an
waldung durch immer- den Abhängen vor.
grüne Sträuche Die Region des nie- dern Gestrüppes und einiger europ. Arten
kommt nur am Pik von Pico auf einer geringen Oberfläche vor. |
64 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
| Azoren | Madeira-Gruppe | | Canarien
Die Region des Pinien- Hochwaldes
Hochgebirges
Die Region des Canarien vertreten
Die Region des Gipfels
| | sind nur auf den | )
Es wurden also mit andern Worten die Azoren beinah ausschliesslich durch die Sempervirente bedeckt, die hier nur in ihrer schlichtesten Form auftrat, und die weiter nach Süden die Insel Madeira beinah in demselben Umfang jedoch mit majestätischerem Hochwalde einnahm. Auf den Canarien aber theilten sich die Sempervirente und der Pinien-Hochwald in bei weitem die grösste Hälfte des Areals, während neben ihnen eigenthümliche Küsten-Hoch- gebirgs- und Gipfelregionen eine bedeutendere Ausdehnung gewannen. Wenn es gleich einestheils gewiss ist, dass ursprünglich die echt indigenen. den Insel- gruppen eigenthümlichen Gewächse hauptsächlich die Pflanzenwelt jener Archipele characterisirten und dass sie es gerade waren, die durch ihre Stand- orte die verschiednen verticalen Zonen andeuteten, so steht es anderntheils ebenso fest, dass sich ihnen manche Arten anschlossen , die auch in Europa, Nordafrika oder an andern Orten vorkommen, als es sicher ist, dass die Ge- sammtsumme der Arten in Folge der Colonisation durch Einschleppung ver- mehrt wurde. Denn darauf, dass die ursprüngliche Flöra in dieser Weise zu- sammengesetzt war, verweist schon einfach die T'hatsache, dass die Gipfel- region des Pik von Pico nur durch europäische Arten gebildet wird. Dann ist auch nicht zu übersehen, dass auf Madeira der Taxus baccata, eine europäische Art, in den ursprünglichen Waldungen neben den indigenen Bäumen auftrat, welche vielleicht damals schon ebenso wie heute der Epheu umrankte.
Die Cultur ward später über alle die Oertlichkeiten ausgebreitet, die ihr günstig waren, wodurch eine Zone der europäischen Cultur entstand, die Seubert für die Azoren vom Meere bis 1500 Fuss annimmt. In Folge der Bodenverhält- nisse bilden gegenwärtig die Felder auf allen 9 Inseln dieser Gruppe von den Küsten nach aufwärts einen zusammenhängenden nur selten unterbrochenen Gürtel, der nicht überall die oberste Grenze dieser Zone erreicht und sie nur in den seltensten Fällen überschreitet wie am südlichen Abhang des Pik, wo die letzten Mais- und Yamsfelder’ in einer Höhe von 1600 bis 1700 Fuss vor- kommen, während die Weinberge bis 800 F. hinaufreichen. Für die Canarien giebt v. Buch die obere Grenze der europäischen Cultur im Mittel auf 2500 F. an, eine Höhe, die zwar an manchen Stellen nicht erreicht, an andern aber bedeutend überschritten wird. Denn in manchen Thälern werden die Abhänge
3. Die Pflanzenwelt. 65
_ bis über 3000 Fuss angebaut und auf der Cumbre von Grande Canaria sah ich auf abgetheilten Stücken die Stoppeln abgemähter Getreidefelder in einer Höhe von beinah 5000 Fuss. Doch ist der letztere entschieden als ein Ausnahmefall zu betrachten. In Madeira reicht die Cultur im Durchschnitt wie auf den Ca- narien bis 2500 Fuss hinauf, während die höchste Ansiedelung im Ribeiro frio in einer Höhe von 3000 Fuss oberhalb des Meeres liegt. Auf dieser Insel er- strecken sich die Weinberge bis an die obere in den Azoren beobachtete Grenze der europäischen Cultur. Denn sie erheben sich an den nördlichen und süd- lichen Abhängen bis 1500 Fuss und treten im Grunde des mächtigen, Curral genannten, Kesselthales sogar noch in einer Höhe von über 1800 Fuss auf. Bis etwa 2000 Fuss erstreckt sich die Cultur des Weizens und anderer in Europa allgemein angebauter Feldfrüchte. Dann herrschen Roggen und Gerste vor und zuletzt werden an den Abhängen zwischen 2500 und 3000 Fuss, da wo ‚die Bodenverhältnisse es zulassen, fünfjährige Bestände von Sarothamnus sco- parius im sechsten Jahre abgehauen, eingeäschert und mit Roggen besät. Innerhalb der Zone der Weincultur sind auf Madeira ausser den Oran- gen auch die Palmen und namentlich die Bananen (Musa paradisiaca) allgemein verbreitet, denen sich in der untern Hälfte die Guaven (Psidium pyriferum) beigesellen. Ausserdem treten hier von den europäischen Fruchtbäumen haupt- sächlich die Feigen, Pfirsiche, Mandeln und Aprikosen auf, während die Zwetschgen, Aepfel und Birnen bis 2000 Fuss, die Kirschen aber bis über 2500, im Ribeiro frio sogar bis 3000 Fuss hinaufreichen. Hier muss denn auch die Castanea vesca erwähnt werden, an welcher sich auf der Nordseite der Wein- stock hınaufrankt, während sie auf der Südseite zwischen 1500 und 2500 Fuss in ausgebreiteten Gruppen oder weitläufigen Waldungen vorkommt. Derselben gesellt sich hier und dort der Wallnussbaum (Juglans regia) bei, jedoch nur selten und in vereinzelten Individuen. Am mannichfaltigsten ist auf der Süd- seite ein Gürtel, der vom Meere bis kaum über 500 F. hinaufreicht, mit frem- den Culturgewächsen ausgestattet. In diesem Gürtel wurde schon früher und wird jetzt abermals das Zuckerrohr in grösserem Maassstabe und mit Erfolg an- gebaut. Ausserdem treffen wir namentlich in Funchal und in den Umgebungen ziemlich zahlreiche Kaffeepflanzungen, während die Ananas, so wie der Spargel in Deutschland, in den Gärten im Freien gezogen werden und die Anonen (Anona squamosa seltener A. cheirimolia) etwa in dem Verhältnisse wie die feineren Kern- und Steinobstarten in Mittel- und Nordeuropa verbreitet sind. Es würde zu weit führen, wenn ich hier die zahlreichen der wärmeren Zone der Erde angehörenden Gewächse nennen wollte, die in den Gärten von Funchal und seinen Umgebungen neben den Blumen, Ziersträuchen und Bäumen der gemässigten Zone gedeihen. Ich erwähne deshalb, um den Contrast mit den Azoren nachzuweisen, nur noch die Carica papaya, die ziemlich häufig, und den
-
Hartung, Azoren. 5
66 | Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Mango, der in manchen Gärten an kräftigen Bäumen seine Früchte reift. Auf
den Canarien haben die Palmen, Bananen, Guaven, Orangen und die euro- | päischen Obstsorten im Allgemeinen dieselbe, kaum eine grössere Verbreitung erlangt als auf Madeira. Und bei den der heissen Zone angehörenden in den Gärten angepflanzten Gewächsen macht sich ein Unterschied dadurch gel- tend , dass manche wie der Baobab und die Königspalme, die in Madeira trotz aller Pflege nicht recht ‘gedeihen wollen, in den Canarien, wie in Santa Cruz de Tenerife, verhältnissmässig leicht fortkommen. In viel bedeu- tenderem Maasse unterscheiden sich in dieser Hinsicht. die Azoren von der Insel Madeira. Dieselben bereits früher angeführten europäischen Obstbäume, die Castanea vesca und die Juglans regia reichen mit wenigen Ausnahmen als kleine unansehnliche Individuen gewöhnlich nicht bis 1000 F. hinauf, welche Grenze nur wenige in Ausnahmefällen in unbedeutendem Maasse überschreiten. Während die Guave und Banane in einer Verbreitung wie in Madeira gar nicht, sondern nur unfern der Küste in Gärten an besonders geschützten Stellen fort- kommen, müssen die sonst vorzüglich gedeihenden Orangenpflanzungen, welche eine Erhebung von 500 bis 600 Fuss kaum überschreiten , selbst an. der Küste mit hohen aus den immergrünen Bäumen gebildeten Hecken gegen den Wind geschützt werden. Ausserdem gedeiht in derselben Weise die häufig ange- pflanzte Eryobotria japonica, deren Früchte im April und Mai zu einer Zeit reifen, wenn die Orangen bereits ausgeführt oder nicht mehr schmackhaft sind. Noch seltener als die Bananen und Guaven trifft man in den Gärten ganz ver- einzelte kleine Bäumchen von Anonen und einzelne Kaffeesträuche, die hier nirgends so wie in Madeira in Anpflanzungen vorkommen. Bezeichnend für die schon viel ungünstigeren klimatischen Verhältnisse ist ausserdem der Umstand, dass Gartenliebhaber — woran ın Madeira Niemand denkt — Gewächshäuser anlegen, in welchen ausser anderen der Mango, Carica papaya und Ananas, die wie bereits erwähnt auf jener Insel so gut im Freien fortkommen, ihre Stellen angewiesen werden.
Von den eigentlichen Feldfrüchten ist die Colocasia antiquorum, die auf den Azoren sowie auf Madeira bis an die Grenze der europäischen Cultur hin- aufreicht, auf allen drei Archipelen eben so allgemein verbreitet als die Kar- toffel (Solanum tuberosum). Die süssen Kartoffeln, die Bataten (Convolvulus batatas) werden erst in Madeira in grösserem Maassstabe angebaut. Auf den Azoren tritt neben Weizen und Gerste die Cultur des Mais entschieden in den Vordergrund, während unter den Hülsenfrüchten die Vicia faba, die in noch grösserem Maassstabe als der Mais verschifft wird, neben den Phaseolus- und Lupinus-Arten die erste Stelle einnimmt. Ausserdem werden Kohl und Zwie- beln viel, die Tomaten (Lycopersicum) seltener gebaut. Kürbisse und Melonen sind besonders an manchen Stellen sehr verbreitet, wie unter anderen in
DE ne alte nn nn a
3. Die Pflanzenwelt. 67
Terceira, wo von den letzteren im Monat August sehr grosse und schöne Früchte in ungeheurer Menge auf den Markt von Angra gebracht wurden.
Bei Betrachtungen über die Pflanzenwelt ist es von Wichtigkeit, auch die Blüthezeit der verschiedenen indigenen und eingeführten Gewächse in Erwägung zu ziehen. Während meines Aufenthaltes in den Azoren bot sich nicht Gelegenheit, in dieser Hinsicht so umfassende Beobachtungen anzustellen wie auf Madeira, wo ich das Aufblühen der einzelnen Gewächse vom Herbste durch den Winter bis in den Sommer verfolgen konnte. Ich will deshalb hier mit einer ausführlicheren Betrachtung der mittleren Gruppe beginnen, der sich in Folge der dort festgestellten Gesichtspunkte die auf den Azoren und den Canarien nur während eines Theiles des Jahres angestellten Beobachtun- gen in einer Weise anreihen, welche es möglich macht, auch die auf der nörd- licheren und südlicheren Gruppe obwaltenden Verhältnisse zu durchschauen.
Bei dieser Betrachtung wollen wir unterscheiden :
1. Die indigenen Gewächse , die nur auf Madeira oder ausserdem nur noch auf den beiden andern Gruppen vorkommen und die hauptsächlich die ursprüng- liche Pflanzendecke bildeten.
2. Die von auswärts eingeführten Bäume und Sträuche.
3. Die jährigen Kräuter, oder die sogenannten Unkräuter, die muthmaasslich _ grossentheils ihre Verbreitung in Folge der Einschleppung erlangten.
1. Die indigene Flora. Bevor wir dieselbe betrachten, müssen wir noch ein paar Bemerkungen darüber anführen, wie hoch die mittlere Wärme der verschiednen Regionen nicht nur auf Madeira sondern auch auf den andern Archipelen ungefähr anzunehmen sein dürfte. Für Teneriffa ist die Temperatur der Regionen durch v. Buch festgestellt worden. Und auf Madeira scheint aus einer Reihe von Beobachtungen, die mit abgestimmten Instrumenten zu gleicher Zeit in Funchal und in einem 550 Fuss über dem Meere gelegenen Landhause angestellt wurden, hervorzugehen, dass die Temperatur am Südabhange auf etwa 550 Fuss um 1° R. oder 1%," Cels. abnehme. Wenn wir demgemäss die . Temperatur für die mittlere Höhe der Regionen berechnen, so erhalten wir, wie die nachfolgende Tabelle zeigt, Werthe, die zwischen 2,2° und 3,6° Cels. geringer sind als diejenigen, die für die entsprechenden Regionen Teneriffa’s _ festgestellt wurden. Und wenn wir ferner in derselben Weise die Jahrestem-
‚peratur für die entsprechenden Regionen der Azoren berechnen, so erhalten wir Werthe, die im Vergleich zu Teneriffa zwar gering sind, die sich aber |
dennoch höher als in Madeira stellen.
5*
68 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
DE u ee WS ER E EEE Es BEE EEE BE Se Soc BE ee 2 a ee Een
Canarıen Madeira Azoren
Höhe Mitt. Höhe Mitt, Höhe Mitt. über dem Meere |Wärme| über dem Meere |Wärme| über dem Meere |Wärme Untere oder Küstenregion' 0 bis 2500 F.|19,65° 0 bis 2000 F. 16,05% 0 bis 1500F.| 15,5°
In Teneriffa afrik. Reg. bis
1200 F. 21,8° Cels. und Reg. d. europ. Cultur bis 2500 F.f'
—A1M,5%C.
Semperyirente . ... .. 2500 bis 4100 F.'13, 75012000 bis 4000 F. | 11,50°|1500 bis 2500 F.| 13,0° Immergrüne Gesträuche |nur zuweilen gewöhnl.Pinal|4000 bis 6000 F. 7,05°12500 bis 3500 F.| 10,7° Pinal oder Pinien-Hoch- Balder men Nee ce a 4100 bis 5900 F.|10,00°
Auf, Pico 7 3500 bis 5200 F.| 7,7° |Region d. Büsche 5200 bis TOOOF.| 3,6°| ,„ d. Gipfels
Das Ergebniss für die Azoren stellt sich dadurch so hoch, dass dort eines- theils die Regionen des Hochwaldes und der Gesträuche in geringer Höhe über dem Meere auftreten, während anderntheils auch die Jahrestemperatur am Ausgangspunkte der Berechnung, am Meeresufer sich deshalb nur wenig niedriger als in Madeira stellt, weil der Sommer im Vergleich zum Winter viel wärmer ist als auf jener Insel. Doch ist nach der früher gegebenen ver- gleichenden Beschreibung der Hochwälder Madeira’s und der Azoren keines- wegs anzunehmen, dass die Region derselben auf der letztgenannten Gruppe eine höhere Temperatur als auf jener Insel haben sollte. Es müssen deshalb auf den Azoren noch andere Verhältnisse obwalten. Ausser dem Mangel an Schutz vor dem Winde mag auch der Unterschied in der mittleren Wärme des Winters und Sommers, der sich schon an der Küste viel mehr als ın Ma- deira fühlbar macht, nach aufwärts noch entschiedner hervortreten, wodurch das Klima der höhern Regionen bei geringerer Höhe über dem Meere nicht nur verhältnissmässig kühler wird, sondern auch noch mehr einen nördlicheren Character erhält. Dafür spricht schon der Umstand, dass auf den Azoren in den Kesselthälern in einer Höhe zwischen 800 und 900 Fuss zuweilen Schnee fällt, der ein paar Stunden oder einen Tag liegen bleibt, während in Madeira der Schnee selbst in leichten Flocken, die sogleich thauen, nie tiefer als bis 2500 Fuss und, eine zusammenhängende Decke bildend, nicht tiefer als bis 4000 Fuss oberhalb des Meeres beobachtet wurde.
In der unteren oder Küstenregion von Madeira, die auf der Südseite un- mittelbar an der Küste eine mittlere Wärme von 18,3, in einer Höhe von 1000 Fuss aber eine mittlere Wärme von 16,5° Cels. hat, treffen wir zunächst eine Anzahl indigener Arten, die zu allen Zeiten des Jahres blühen. Hieher gehören : Calendula maderensis, 'Tolpis fruticosa und fili- formis, Andryala varia, Micromeria thymoides, Lavandula pinnata, Herniarıa flavescens, Lotus glaucus und mehrere andere. Bei weitem die meisten Arten blühen jedoch erst sehr zeitig im Frühjahr oder schon
3. Die Pflanzenwelt. 69
in der letzten Hälfte des Winters, das heisst es entfalten sich im Februar oder auch schon Ende Januar die ersten Blüthen, denen langsam andere folgen, bis das Gewächs nach drei oder vier Wochen in voller Blüthe steht. Und endlich kommen andere indigene Arten erst später, zu Ende März, im April oder auch nicht vor Mai zur Blüthe. Der hervorragendste Repräsentant dieser Region, der Drachenbaum blüht gewöhn- lich Anfang April und hat im December reife Früchte. An der Salıx canariensis zeigen sich in der unmittelbaren Nähe der Küste schon Ende Januar die ersten Blüthen. Im Februar brechen die Blattknospen auf, aber erst im März hat der noch immer blühende Baum sein Laub vollständig entwickelt. Höher hinauf an den Bergen tritt die Blüthe erst Ende Februar oder Anfang März ein. Von den Sträuchen blühen die Phyllis nobla erst im April, die Globularıa longitolia und die Euphorbia piscatoria im Anfang März. Eine eigenthümliche Ausnahme macht der Asparagus scoparius, der von Ende November durch den December bis Januar blüht. Die Artemisia canarlensis entfaltet erst im Maı Blüthen, die an dem Chrysanthemum tanacetifoium, einem kleinen Strauch, der an den Felsen wächst, schon Ende Februar, hauptsächlich aber im März und April her- vorbrechen. Die Matthiola maderensis, welche mit dicken verholzten Stengeln strauchartig an den Klippen vorkommt, entfaltet schon Ende Januar einzelne Knospen, steht aber erst im März in vollster Blüthe. Ebenso verhält sich das prächtige Echium candicans. Ohne weiter die Blüthezeit der übrigen der untern Region angehörenden indigenen Arten durchzugehen, will ich nur anführen, dass sich ebenso wie diese auch die ausserhalb der Inselgruppen gefundenen Arten verhalten, die bis gegen 2000 Fuss oberhalb des Meeres an Klippen, Felsenwänden und an anderen von der Oultur unberührten Orten wachsen. Von den Sträuchen treffen wir stets in Blüthe: Lycium afrum, Ricinus com- munis, Rosmarinus officinalis, Gomphocarpus fruticosus, Solanum sodomaeum. Sehr zeitig im Frühjahr, schon im Februar blühen Aloe vera, Asphodelus fistu- losus, Ephedra altissima, Solanum pseudocapsicum und andere. Später im März zeigen sich die Blüthen von Rhus corearla, von Cassia bicapsularis und im April oder Mai die von Elaeagnus angustifolius, Punica granatum, Opuntia tuna und Rubus fruticosus. Nicht selten kommt es vor, dass an den Sträuchen dieser Region im Nachsommer, im November einzelne Blüthen hervorbrechen,, die später verschwinden , oder noch ganz vereinzelt im December und Januar auf- treten. Alle diese kommen jedoch nicht in Betracht, wenn wir sie mit der Anzahl derjenigen vergleichen , die sich später während der eigentlichen Blü- thezeit entfalten. Und ebenso kommen auch bei den übrigen Gewächsen hier und dort Ausnahmen vor, die einen Uebergang zu einer andauernden Blüthezeit anzubahnen scheinen. Allein ungeachtet dieser Thatsache und trotz des Um-
standes, dass viele Gewächse durch das ganze Jahr blühen, ist selbst ın dieser
70 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Region das Frühjahr die Jahreszeit, in welcher sich bei weitem die meisten Blüthen entfalten nicht nur an den echt indigenen sondern auch an solchen Gewächsen , die auf Madeira mit jenen an ähnlichen Standorten auftreten, aber ausserdem noch in Europa, Afrika oder andern Theilen der Erde vorkommen.
Anders gestaltet sich das Verhältniss schon in der Sempervirente oder in der Region des immergrünen Hochwaldes, wo die indigenen Arten mit nur wenigen Ausnahmen erst im Frühjahr vom März an in Blüthe treten. Doch kommt auch hier cin Baum vor (Persea indica), der während des ganzen Jahres einzelne unreife Früchte oder Blüthen aufzuweisen hat. Ausserdem blühen die Sträuche des Vaccinium maderense, der Dichroanthus mutabilis, eine kleine strauchartige Pflanze mit verholzten Stengeln, und die Viola maderensis durch
das ganze Jahr hindurch. Von den übrigen indigenen Arten entfalten der-
Juniperus cedrus und die Myrica faya mit am ersten ihre Blüthen, die an den
tieferen Abhängen schon Ende Februar hervorzubrechen beginnen. Ihnen
folgen im März und April von Bäumen zunächst der Laurus canariensis, dann der Ilex perado und von Sträuchen Rhamnus glandulosa, Oelastrus umbellatus,
Chamaemelus coreaceus, der eigenthümliche fast baumartige Sonchus squarro-
sus, die Hypericum-Arten und die Euphorbia mellifera, welche im April in einer Höhe von etwa 3000 Fuss über dem Meere ihre wie Honig duftenden Blüthen aufschliesst. Ausserdem blühen um dieselbe Zeit die Orchideen, die
Schlingpflanze Ruscus androgynus, die beiden Arten von Scrophularia, der bis
6 Fuss hohe wohlriechende Ranunculus cortusaefolıus und manche andere Ge-
wächse, die bei verholzten Stengeln bald grössere bald kleinere Sträuche
bilden, wie unter anderen Genista maderensis, Chrysanthemum pinnatifidum, Sideritis Massoniana, die Bistropogonarten, Convolvulus Massoni, Rumex ma- derensis. Von den sieben indigenen Arten von Sedum und Sempervivum kom- men nur ein paar im März und April, die meisten erst im Mai oder noch später in Blüthe, ebenso wie die Mehrzahl der Bäume der Waldregion, die Phoebe Barbusana, Oreodaphne foetens, Notolea und Heberdenia excelsa, denen sich manche grössere Sträuche oder strauchartige Gewächse anreihen wie unter anderen Sideroxylon mermulana, Cedronella canariensis, Senecio maderensis, Geranium anemonifolium, Rubus grandifolius. Im Juni oder Juli kommen erst zur Blüthe: ein Baum, die Olethra arborea, und Isoplexis sceptrum, eine dem
gewöhnlichen Fingerhut nahe verwandte Pflanze, die mit ihren breiten Blättern
und grossen gelben Blumen eine der schönsten Zierden der Waldregion aus- macht. — Wie in der untern Region- schliessen sich auch in der Region der Wälder manche ausserhalb der drei Inselgruppen gefundene Arten den echt indigenen durch ihre Standorte unmittelbar an. Dahin gehören der Taxus baccata, ein Baum, der in einer Höhe von 2000 Fuss oberhalb des Meeres im
April in Blüthe kommt, und die Erica arborea, die bis 2500 Fuss schon Ende
U
3. Die Pflanzenwelt. 71
Februar und im März, höher hinauf aber nicht vor April und Mai blüht. Die unbedeutendere Erica scoparia sah ich nie vor April oder Mai, die Myrte, Myrtus communis, selbst in der Nähe der Küste nie vor Mai oder Juni in Blüthe. Der Epheu blüht wie in Europa im Herbst, das Geisblatt (Lonicera caprifolium), welches häufig an Felsen wuchert, erst im April oder Mai. Ueber- aus häufig kommt Digitalis purpurea in der Waldregion vor, wo die jungen Pflanzen mitunter schon Ende Februar, gewöhnlich im März aufwachsen und im April blühen. Der Sarothamnus scoparius und Ulex europaeus, die in die- ser Region häufig wild wachsen, blühen von December an durch den Winter _ hindurch ebenso wie die Erdbeere (Fragaria vesca), deren Früchte schon Ende _ April nach Funchal auf den Markt ‚gebracht werden. Viel seltener als in der Küstenregion treiben die in der Region des Hochwaldes vorkommenden Arten ausser der gewöhnlichen Zeit einzelne Blüthen. Doch kommen solche Fälle auch hier namentlich an den tiefer gelegenen Abhängen vor, wo selbst während des Winters an manchen Gewächsen hier und dort Blüthen, jedoch so vereinzelt hervorbrechen, dass sie entschieden als Ausnahmen angesehen werden müssen. Unter diesen Ausnahmen ist besonders eine, die bereits früher erwähnt wurde, hervorzuheben. Nach den im Herbst eingetretenen Regenschauern und Stürmen beginnen nämlich während des sogenannten Martinssommers zu Anfang No- vember einzelne Gewächse eine nicht unbeträchtliche Zahl Blüthen zu ent- falten, die bald darauf verschwinden, um dann im Frühjahr durch eine viel grössere Menge ersetzt zu werden. So sah ich während des November in einer Höhe von über 3000 Fuss oberhalb. des Meeres an den Tilbäumen (Oreodaphne foetens) überall einzelne Blüthen, die ich später in derselben Höhe in der Waldregion vermisste und die ich dann erst im Frühjahr in vervielfachter An- zahl wiederfand. Noch auffallender tritt diese aussergewöhnliche, der eigent- lichen und richtigen hinzugefügte Blüthezeit an Exemplaren hervor, die in der untern Region wachsen. Ein mächtiger Tilbaum, der gleich oberhalb Funchal in ganz geringer Höhe über dem Meere steht, war im November, wie es den Anschein hatte, in vollster Blüthe. Alleın alle diese Blüthen, die während des Winters wieder verschwanden, beeinträchtigten nicht im geringsten die eigentliche im Frühjahr eintretende Blüthezeit, welche die vorhergehende durch ihre Fülle vollständig verdunkelte. Ebenso fand ich im Norden der Insel in der Hochwaldregion während des November an Büschen und Pflanzen mit verholzten Stengeln wie Myrtus communis, Cedronella canariensis und an- deren, sparsame Blüthen, die später im Winter -dort nicht mehr, wohl aber im Frühjahre in der gewöhnlichen Fülle vorkamen. Die der gemässigten Zone eı- genthümliche Regelmässigkeit der Blüthezeit erleidet in der Waldregion ausser der eben angeführten noch dadurch eine Abänderung, dass das Erschliessen der Blüthen und das Reifen der Früchte oder Samen im Allgemeinen längere
7 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Zeiträume umfassen als in nördlicheren Breiten. Die immergrünen Bäume, Sträuche und strauchartigen Gewächse verhalten sich in dieser Beziehung etwa in ähnlicher Weise wie die Orange, deren Knospen nur selten im Spätherbste
oder Winter, allgemein aber im März, April und sogar noch im Mai hervor-
brechen, während die Früchte sich im Sommer ausbilden und im Winter reifen.
Die oberste Region von Madeira, in welcher eine ansehnliche Oberfläche bis 5000 Fuss, einzelne Kuppen und Zacken noch höher bis gegen 6000 Fuss hinaufragen, wird hauptsächlich durch Sträuche von Vaccinium maderense und von Erica arborea bedeckt. Die ersteren treiben auch hier noch im Winter einzelne Blüthen , während die meisten erst im Frühjahr hervorbrechen. Die Erica arborea, welche in dieser Höhe kaum vor März erblüht, tritt gerade hier in ihrer mächtigsten Form als ein kleiner Baum auf, dessen gewundener Stamm nicht selten eine Dicke von 1'% Fuss Durchmesser erlangt. Die übrigen in dieser Region vorkommenden maderesisch-canarischen und fremden Arten blü- hen entweder nur später im Frühjahr oder lassen nur sehr selten Ausnahmen von dieser Regel zu.
2. Die von auswärts eingeführten Bäume und Sträuche blühen und belauben sich vorherrschend im Frühjahr, kaum bedeutend früher, oft um dieselbe Zeit wie in ihrer Heimath. Es ist gewiss eine auffallende Er- scheinung, dass dieselben Obstbäume, die in Norddeutschland gut fortkommen, in Madeira ihre Natur selbst in dem untersten bis 500 Fuss hinaufreichenden Gürtel nicht verläugnen, wo sich doch das Mittel der drei Wintermonate etwa eben so hoch oder gar etwas höher, als das Mittel der drei Sommermonate vie- ler Orte jener Gegenden stellt. Wenn wir zunächst die europäischen Obst- bäume ins Auge fassen, so sehen wir, dass bei denselben in der Zeit der Blüthe, Belaubung und Fruchtreife zwar nicht selten ungewöhnliche Erscheinungen eintreten, die indessen doch nur als Ausnahmen zu betrachten sind, wie solche in aussergewöhnlichen Jahren auch in Europa von Zeit zu Zeit vorzukommen pflegen, und die nur bei einzelnen Pfirsichbäumen entschieden einen andern Character annehmen. Vor allen den hier zu betrachtenden Arten zeichnen sich gerade die Pfirsichbäume am auffallendsten aus, da manche bereits im November, andere etwas später zu blühen beginnen, so dass der Beobachter an den Südabhängen namentlich um Funchal bis zu einer Höhe von 500 Fuss oberhalb des Meeres von Ende November bis April fortwährend blühende Individuen antrifft. In der Vorstadt Funchals, wo ich Gelegenheit hatte eine Anzahl dieser Bäume. während mehrerer Jahre zu beobachten, fand ich, dass dieselben jedesmal regelmässig vor Weihnachten, von der zweiten Hälfte des November an blühten und um oder bald nach Ostern ihre Früchte reiften. Die Zeit, in welcher diese Bäume blühten und ihre Blätter entwickelten, war also entschieden, wahrscheinlich in Folge allmählicher Uebergänge, vom Frühjahr
De he
3. Die Pflanzenwelt. 13
bis ans Ende des Spätherbstes oder in den Anfang des Winters verlegt. Ob auch alle die andern Pfirsichbäume, die jährlich von Ende November an in Blüthe stehen, wie eigentlich anzunehmen sein dürfte, mit derselben Beharrlichkeit ‚Ihrer veränderten Gewohnheit treu bleiben, oder ob bald diese bald jene ausser- gewöhnlich früh in Blüthe treten, wage ich nicht zu entscheiden. Wie dem auch sei, so steht doch fest, dass in jedem Jahre schon zu Ende April oder im Anfang Mai Pfirsiche auf den Markt gebracht werden, die indessen meist holzig sind und weder in der Güte, sowie noch viel weniger nach der Zahl mit den- jenigen einen Vergleich aushalten, die im Spätsommer reif werden. Denn selbst auf den wärmsten Strecken der Küstenregion blühen doch die meisten Bäume erst zu Ende Februar oder im März, während an anderen Oertlichkei- ten Ausnahmen wie die oben geschilderten viel seltener oder gar nicht vorkom- men. Viel weniger häufig als Pfirsiche werden im Frühjahr Birnen auf den Markt gebracht, die im besten Falle schlecht, oft kaum einen Zoll lang, grasgrün und völlig geschmacklos sind. Zwischen Funchal und Canico beobachtete ich in der wärmsten Region ebenfalls während mehrerer Jahre eine Anzahl Birnbäume, die jedesmal im November jedoch nur spärlich mit Blüthen bedeckt waren. Hier entwickelten sich indessen nicht so wie bei den Pfirsichen allmählich sämmt- liche Blüthen und das Laub, sondern es trat in diesem Vorgange während des Winters eine Pause ein, bis die Bäume im Frühjahr, ungeachtet der im Herbste aufgewandten Kraft, in gewohnter Fülle vollständig erblühten. Ausserdem beobachtete ich ebenfalls während mehrerer Jahre an ein paar kleinen Aepfel- bäumen schon im Winter unreife Früchte, während ich nie im Frühjahr reife Aepfel sah. Wie bei den Birnbäumen zeigen sich auch bei einzelnen bestimm- ten Orangenbäumen auf der Südseite bis zu einer Höhe von 500 Fuss oberhalb des Meeres jedesmal schon im December Blüthen,, die vor der eigentlichen im März, April und Mai eintretenden Blüthezeit wieder verschwinden. Die oben angeführten Fälle abgerechnet blühen und belauben sich die europäischen Obst- bäume selbst auf der Südseite der Insel in dem wärmsten bis 500 Fuss hinauf- reichenden Gürtel während des Frühjahrs und reifen dann während des Som- mers ihre Früchte. Den die Blüthezeit einleitenden Pfirsichen schliessen sich die Mandelbäume an, welche sich zu Ende Februar oder im März mit weissen Blüthen bedecken, ihnen folgen im März und April die Feigen, Aprikosen, Zwetschgen, Birnen, Aepfel und die Kirschen. An den wärmeren Standorten treten dann schon zu Ende-des Winters einzelne Blüthen, gleichsam wie Vor- boten des Frühjahrs hervor, welches die Bäume mit der vollen Blüthenpracht schmückt. Man beobachtet also selbst im Weichbilde von Funchal eine ganz bestimmte Blüthezeit der europäischen Obstbäume, eine Blüthezeit, die viel- leicht zwei Wochen früher als an wärmeren Orten des südlichen Deutschlands und im Allgemeinen mehr allmählich eintritt, wie das dort übrigens nach
74 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
ungewöhnlich milden Wintern in zeitig beginnenden Frühjahren in ähnlicher Weise der Fall zu sein pflegt. Höher hinauf an den Abhängen in der oberen Hälfte des von der europäischen Oultur bedeckten Gürtels brechen die Blüthen nicht nur später hervor, sondern sie entwickeln sich auch innerhalb eines schärfer begrenzten Zeitraumes. Dies gilt namentlich von den Kirschbäumen, die in den Thälern der Serra d’ Agoa und des Ribeiro Frio auf einer Höhe von 2000 bis zu 3000 Fuss während der ersten Hälfte des Mai über und über mit weissen Blüthen bedeckt sind. In ähnlicher Weise verhalten sich die Maronen- bäume (Castanea vesca), die auf der Südseite in einer Höhe von 1500 bis 2500 Fuss oberhalb des Meeres in ausgedehnten Anpflanzungen vorkommen. Dort zeigen sich in der zweiten Hälfte des April die ersten Blätter und während das Laub sich im Mai vervollständigt, treten die Blüthen im Juni hervor. Selbst an den tiefer gelegenen Abhängen finden diese Vorgänge nicht sehr bedeutend früher statt, doch beobachtete ich auch von dieser Art in Funchal ein kleines Bäumchen, das während mehrerer aufeinanderfolgender Jahre im Winter all- mählich seine Blätter und Blüthen entfaltete. Solche Ausnahmen kommen auch bei einzelnen andern Bäumen vor, von welchen ich namentlich die Som- mereiche, Quercus pedunculata hervorhebe. Mehrere Bäume dieser Art, die zu Funchal auf der Promenade stehen und unter welchen sich namentlich einer, die sogenannte deutsche Eiche auszeichnet, beginnen seit mehreren Jahren schon um Weihnachten ihr Laub zu entfalten, das bereits Ende Januar Schat- ten gewährt, aber doch erst Ende Februar oder Anfang März seine völlige Dichtigkeit erlangt. Ebenso bemerkt man schon in der letzten Hälfte des Winters an den Trauerweiden einen grünen Anflug, der dann jedoch unge- wöhnlich lange Zeit braucht, bis er sich in ein dichtes grünes Laubdach um- wandelt. Demnächst muss ich noch eine andere Eigenthümlichkeit hervor- heben, die darin besteht, dass an den in Europa allgemein verbreiteten Bäumen und Sträuchen das Laub sehr spät welk wird und noch später abfällt. Viele Blätter verändern kaum die Farbe, sondern bleiben nur welk und etwas einge- schrumpft an den Zweigen sitzen, bis die jungen Blattknospen sich erschliessen. Darum verhalten sich manche Individuen wie z. B die früh erblühenden Pfir- siche anscheinend beinah so wie manche -immergrüne Gewächse wärmerer Zonen, die zu gewissen Zeiten des Jahres, wenn sie frische Schosse treiben, nicht kahl sondern nur etwas dürftig erscheinen. Allein auch unter den Ma- ronenbäumen trifft man nicht nur im Weichbilde Funchals, sondern auch bis zu einer Höhe von 2000 Fuss oberhalb des Meeres an besonders geschützten Stellen im November oder December noch Bäume, deren Laubdach nur etwas gelichtet erscheint. Dasselbe gilt von manchen Eichen und Trauerweiden, die nur während eines verhältnissmässig kurzen Zeitabschnittes mehr oder weniger vollständig entlaubt bleiben. Alle diese eigenthümlichen Erscheinungen treten
3. Die Pflanzenwelt. 75
dem Fremden, der im Winter die Insel Madeira besucht, im Weichbilde Fun- chals so auffallend entgegen, dass er sich geneigt fühlen dürfte ihre wahre Bedeutung zu verkennen. Doch mahnen ihn selbst dort die kahlen Aeste der am Meere in Reihen gepflanzten Platanen, sowie manche über die niederen Berghalden zerstreute Bäume und Sträuche daran, dass die Gewächse seiner Heimath gerade jetzt ihre Winterruhe halten. Und wenn er dann im Februar nach den Canarien fährt und im April oder Anfang Mai nach Madeira zurück- kehrt, so staunt er über den veränderten Anblick, den die Abhänge der Insel darbieten, die nun mit einem ununterbrochenen "Teppich überdeckt sind, der vom frischesten Grün durch alle Abänderungen dieser Farbe abschattirt ist. In den Gärten haben die Robinia pseudoacacia, der Judasbaum, der Tulpenbaum, die Buche, der Aesculus hypocastanum,, die Gleditschien und andere ihr Laub und ihre Blüthen entfaltet, zwischen den Feldern grünen die Bandweiden, die Pappeln, die Eichen und die Obstbäume, die zum Theil in Blüthe stehen, während die belaubten Weingelände in Blüthe treten, und an den höhern Ab- hängen die Kastanienpflanzungen mit einem lichtgrünen Anfluge bedeckt sind. Es bleiben: also mit andern Worten die Bäume und Sträuche, die mit Ausnahme der Feigen und Orangen auch in Mittel-, zum grossen Theil sogar in Nord- Europa verbreitet sind, auf Madeira den Gewohnheiten, die sie in jenen Ge- genden angenommen haben, getreu. Dies ist selbst in dem untersten und wärm- sten Gürtel der Küstenregion vorwiegend der Fall, wo indessen eigenthüm- liche Abweichungen vorkommen, welche sich solchen Erscheinungen an- schliessen , die auch in Mitteleuropa dann und wann bei ungewöhnlich milden Wintern und zeitigen Frühjahren, jedoch weniger regelmässig und in geringerer Ausdehnung beobachtet werden. Solche Abweichungen nehmen nur ausnahms- . weise insofern einen andern Character an, als die Blüthezeit einzelner Bäume theilweise oder ganz in den Spätherbst und in den Winter verlegt ist, und diese Erscheinung muss, wie die schlechten Früchte der Pfirsiche und Birnen zei- gen, als eine abnorme angesehen werden, die keineswegs der Natur der Ge- wächse und den klimatischen Verhältnissen der Insel entspricht. Ebenso wie die in Europa verbreiteten verhalten sich auch diejenigen Bäume und Sträuche, die von der südlichen Hemisphäre nach Madeira versetzt sind und die alljähr- lich ungeachtet der geringeren Wärme des Winters dennoch etwa um Weih- nachten oder zu einer Zeit blühen, wo in ihrer Heimath der Sommer herein- bricht.
3. Die jährigen Kräuter, oder die sogenannten Unkräu- ter, diemuthmaasslich grossentheils durch Einschleppung in dem Archipel verbreitet wurden. Wenn die europäischen Bäume und Sträuche ungeachtet der sommerlichen Temperatur des Winters auf Madeira mit einigen Ausnahmen vorherrschend erst im Frühjahr blühen und sich
76 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
belauben, so spriessen und blühen dagegen die in Europa verbreiteten jährigen Kräuter überall, wo ihnen ausser der Feuchtigkeit die zu ihrem Fortkommen erforderliche mittlere Wärme geboten wird. Darum treffen wir selbst in der obern Hälfte des Gebirges stets manche Unkräuter, die so wie in Deutschland bis spät in den Herbst, hier durch den Winter hindurch in einzelnen Exem- plaren fortblühen. Dahin gehören Potentilla reptans, Oxalis corniculata, Ero- dium cicutarıum, Geranium robertianum, Nasturtium officinale, Ranunculus repens, Taraxacum officinale, Prunella vulgaris und manche andere. Doch auch von diesen Arten erblühen in den beiden oberen Regionen die meisten Individuen erst im Frühjahr, das ausserdem eine Anzahl anderer Arten ins Leben ruft, wie z. B. Hypochaeris glabra, Rumex acetosella und pulcher, My- osotis stricta und palustris, Teesdalia iberis, Peristylus cordatus, Trichonemma grandiscapus, Uentranthus calcitrapa, Valerianella Morisoni, Vahlenbergia lo- belioides, Prasium majus u. s. w., alles Arten, die sich entweder zeitig im Früh- jahr schon zu Ende Februar, oder erst im März und April zeigen. Anders ist es in der Küstenregion, namentlich auf der Südseite in dem untersten Gürtel, wo das Gedeihen der jährigen Unkräuter hauptsächlich auf die kühlere Jahres- zeit vom Spätherbst bis zum Anfang des Sommers beschränkt ist. Innerhalb der wärmsten und trockensten Strecken, die auf der Südseite vom Meer bis etwa 1000 Fuss hinaufreichen, treffen wir natürlich auch manche jährige Kräuter und Gräser, die, wo es ihnen nicht an Feuchtigkeit gebricht, während des ganzen Jahres in Blüthe stehen, von welchen aber doch die meisten Indi- viduen erst in Folge der ergiebigern Regenschauer zu Ende des Winters und im Frühjahr hervorspriessen und blühen. In dieser Hinsicht war mir neben andern die Ambrina ambrosioides eine der auffallendsten Pflanzen, die, obgleich sie während des ganzen Jahres blühte, dennoch zu Ende des März überall frisch aufschlug. Betrachten wir indessen die einjährigen Kräuter dieses untersten und wärmsten Gürtels aufmerksam, so fällt esauf, dass die meisten sichin ihrem Auftreten gerade so wie in Europa der Entwickelungs- periode des Getreides anschliessen, dessen Saatzeit sich hier so wie überall nach den klimatischen Verhältnissen richtet. Nachdem der Ackerboden von den Herbstregen durchtränkt und im November hergerichtet ist, wird im Anfang des December der Weizen eingesät, der dann um die Mitte desselben Monates aufgeht, während der Winterregen wächst, im Frühjahr, im März und April in Aehren tritt und bis Ende Mai oder An- fang Juni reift. Wie in Europa im Frühjahr, wenn die Humuskruste erwärmt und von der überflüssigen Feuchtigkeit befreit ist, so zeigen sich hier, sobald der ausgetrocknete Boden von den Herbstregen durchdrungen ist, verschiedene jährige Kräuter wie: Lamium purpureum, Stellaria media, Polygonum avicu- lare, Fumaria officinalis, Mercurialis ambigua, Albersia blitum, Senecio vulgaris
ai BETTER rn
3. Die Pflanzenwelt. ; 71
und andere. Mit dem aufgehenden Getreide erblühen : Chrysanthemum my- conis und coronarium, Sinapis incana, Rapistrum rugosum, Raphanus rapha- nistrum, es zeigen sich Urtica membranacea, und mehrere Compositeen wie Thrincia pygmaea, Rhagadiolus stellatus, Hedypnois rhagadioloides, Urosper- mum picroides und andere, denen sich anschliessen Salvia clandestina, Stachys hirta, Anagallis arvensis, einige Papilionaceen, Euphorbiaceen, Arten von Ge- ranium und Erodium, von Galium, einige Umbelliferen wie Scandix pecten, Ammi majus u. s. w. An den Mauern tritt Chelidonium majus in Blüthe, in den Feldern bemerkt man die Scherardia arvensis und Borragineen, wie Echium violaceum, Anchusa italica, Borrago officinalis u. s. w. Wenn der Zeitpunkt herannaht, wo der Weizen in Aehren geht, so leuchten aus den Feldern in Menge die Papaveraceen hervor und es treten auf: Verbena officinalis, Silene inflata und gallica, Cucubalus bacciferus, Dianthus protifer, einige Malven- arten und andere. Dann bemerkt man einige Arten von Convolvulus, den ©. arvensis, C.sicculus und C. althaeoides, die Nigella damascena, das Delphinium consolida u. s. w. Zuletzt entfalten sich die Agrimonia eupatoria und verschie- dene Compositeen wie Centaurea melitensis, eriophora, calcitrapa und solsti- tialis, Cichorium intybus, Carthamus lanatus, Cirsium latifolium u. s.w. Wenn hier, nach dem Gedeihen der Halmfrüchte und nach dem Auftreten der meisten Unkräuter zu urtheilen, unverkennbar eine gewisse Uebereinstimmung hervor- tritt zwischen den regnerischen Herbst- und Wintermonaten dieses 'Theils von Madeira und den Frühjahrs- und Sommermonaten von in der Region der Sommerregen gelegenen Theilen Europa’s, so machen doch einzelne Pflanzen insofern eine bestimmte Ausnahme, als sie annähernd um dieselbe Zeit wie in Europa erblühen. Dahin gehören: Arum italicum, Allium triquetrum, Orni- tloogalum arabicum, und der schöne Gladiolus seggetum, die alle, ausser verein- zelten Vorläufern, erst im März und April gleichzeitig mit den in Beeten frisch aufgegangenen Lauch- und Zwiebelarten emporwachsen und blühen. Dagegen blüht der Narcissus odorus in einer Höhe von 2000 Fuss ın den Kastanien- pflanzungen in einzelnen Individuen bereits um Weihnachten, in grosser Menge im Januar. — Nach der Ernte bleiben die Stoppelfelder dieser trocknen Strecken bis zum Herbste verdorrt liegen, während nur manche Unkräuter auch durch den Sommer hindurch an solchen Standorten fortwuchern , wo es ihnen nicht an der nothwendigsten Feuchtigkeit gebricht. Wenn der Weizen in diesem wärmsten und trockensten Gürtel von Anfang oder Mitte December bis Ende Mai oder Anfang Juni, also 5‘, Monate zu seiner Entwickelung bedarf, so ist das für sogenannte Sommerfrucht ein langer Zeitabschnitt. Allein wie in vielen andern Fällen übt auch hier die Milde und Gleichmässigkeit des Klima’s ihren Einfluss auf den Gang der Entwickelung aus, dem in nördlicheren Breiten eine kürzere Frist zugemessen ist. Auf der Nord- und namentlich auf der
7185 Die Inseln nach ihrer.äussern Erscheinung geschildert.
Nordwestseite der Insel, die während des Winters am andauerndsten einer regnerischeren, stürmischeren und kühleren Witterung ausgesetzt ist, hat man an den höher gelegenen Abhängen die Erfahrung gemacht, dass der im De- cember gesäte Weizen doch erst im Sommer zu derselben Zeit, oder kaum etwas früher reif wird als derjenige, der 6 oder 8 Wochen später bestellt ward. Dieser Weizen könnte kaum noch als Sommerung, sondern müsste vielmehr als eine Winterung’betrachtet werden, die bei der Milde der kühleren Jahres- zeit auf das geringste Maass zurückgeführt ward. Ueberhaupt werden der Wei- zen und Roggen höher hinauf an den Abhängen und auf der Nordseite der Insel je nach Umständen 2, 4, 6 oder S Wochen später bestellt, als an den sonnigen bis etwa 1000 Fuss oberhalb des Meeres hinaufreichenden Ab- hängen der Südseite von Madeira. Auf der Nordseite bei Santa Anna und S. Jorge findet die Ernte des Weizens im Juli an den Abhängen statt, die ober- halb der 500 bis 1000 Fuss hohen Klippenwände allmählich nach landeinwärts ansteigen. Im Allgemeinen kann man dann ferner annehmen, dass auch an allen diesen Oertlichkeiten die einjährigen Kräuter nach der Zahl der Indivi- duen und der Arten am üppigsten in der Zeit gedeihen, die in Folge der klima- tischen Verhältnisse ohne künstliche Beihülfe das Wachsthum der Halm- früchte am meisten befördert. Ohne die Zeit der Saat und der Ernte der übri- gen Feldfrüchte weiter zu erörtern, welche an den verschiednen Oertlichkeiten mit den Halmfrüchten zugleich gezogen werden, will ich nur anführen, dass ‚dieselben, so wie die sogenannten Unkräuter durch das Jahr an geeigneten Standorten aushalten, auch während: des ganzen Jahres da fortkommen, wo ihnen die nöthige Feuchtigkeit zugeführt wird, weshalb der Boden in diesem Klima bei künstlich gesteigerter Cultur zwei Ernten im Jahre gewähren kann. Die grösste Sorgfalt wird in dieser Beziehung einer fremdländischen Pflanze zugewandt, welche die Hauptnahrung der ärmern Klasse ausmacht. Es ist dies die Colocasia antiquorum, die auf der ganzen Insel bis 2500 oder 3000 Fuss oberhalb des Meeres an Standorten gepflanzt wird, die entweder an und für sich feucht sind oder künstlich überrieselt werden. Nächstdem reift die Kar- toffel hier und dort zu allen Jahreszeiten , ebenso wie die Erbsen, Bohnen und andere Feldfrüchte, die als junge Gemüse auf den Markt von Funchal gebracht werden.
Wenn der Reisende zu Ende des Winters im Februar von Madeira nach den Canarien geht, so findet er dort die mannichfaltigere und durch zahl- reichere Arten vertretene echt indigene Flora auch in ihrer jährlichen Ent- wickelung weiter vorgeschritten. Namentlich sind es die indigenen Gewächse der untersten Region, die, wenn sie nicht wie viele unter ihnen während des ganzen Jahres blühen, jetzt bereits ihre Knospen erschlossen haben, bis auf wenige, die selbst hier dieselben erst später entfalten. Ebenso beginnen in den
3. Die Pflanzenwelt. 79
Wäldern manche Bäume und Sträuche sowie manche accessorische Arten bereits zu blühen, die ın Madeira um dieselbe Zeit noch weiter zurück sınd. Allein es walten dennoch schon in dieser Region Verhältnisse ob, die sich den in Madeira beobachteten anreihen, von denen sie sich einestheils durch zahl- reichere und auffallendere Ausnahmen sowie anderntheils dadurch unterschei- den, dass die Blüthezeit im Allgemeinen früher eintritt.
Die in Europa verbreiteten Bäume und Sträuche blühen und belauben sich vielleicht im Allgemeinen etwas zeitiger als in Madeira, doch so wie dort erst im Frühjahr, während die Obstsorten, die Kastanien und die Wallnüsse im Sommer reifen. Wenngleich die Fälle, in welchen einzelne Bäume schon im Spätherbst blühen und im Winter ihre Früchte reifen, vielleicht in den Canarien,, wo sich ausser den früher genannten auch die Feigen in ähnlicher Weise verhalten, etwas häufiger vorkommen mögen, so steht doch fest, dass dies auch hier nur Ausnahmefälle sind und dass solche Früchte nicht ihre voll- ständige Ausbildung erlangen, weshalb sie von den Spaniern sehr bezeichnend Fruta loca oder unzurechnungsfähige Früchte genannt werden.
Was endlich die jährigen Kräuter oder sogenannten Unkräuter betriftt, die zum gro-sen Theil mit dem Getreide eingeschleppt sein dürften, so verhal- ten sich dieselben ganz in derselben Weise wie in Madeira, da ihr Auftreten hauptsächlich in die Zeit fällt, die sich in Folge der reichlichsten Feuchtig- keitsniederschläge zum Anbau der Halmfrüchte eignet, und da sie ausserdem überall, wo die zu ihrem Fortkommen nothwendige Feuchtigkeit vorhanden ist, durch das ganze Jahr hindurch wachsen und blühen.
Auf den Azoren scheinen die indigenen, d. h. die azorischen so wie die . maderesisch - canarischen Arten nur erst vom Frühjahr an zu erblühen. Von vielen finden wir in Seubert’s Flora azorica die Blüthezeit im späteren Frühjahr oder im Frühsommer angegeben. Ob hier so wie in den Canarien und in Ma- deira ebenfalls Ausnahmen vorkommen, die darın bestehen, dass die Gewächse im Spätherbst oder im Winter, wenn auch spärlicher als im Frühjahr, doch immerhin blühen, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben, da ich erst in der zweiten Hälfte des April in S. Miguel anlangte. Doch müssen solche Ausnah- men, nach dem Eindruck den die indigene Flora damals hervorbrachte zu urtheilen, viel seltener und innerhalb eines viel enger umschriebenen Gürtels vorkommen, der nur die wärmsten und geschütztesten Standorte der Küsten- region umfasst. In der Waldregion scheinen sich die Jahreszeiten ungeachtet der geringen Höhe oberhalb des Meeres entschieden noch deutlicher als ın Ma- . deira in der Blüthezeit der verschiedenen Arten abzuspiegeln. Selbst die ein- heimischen Vaccinium-Sträuche waren so üppig mit frischen Blüthen bedeckt, dass es den Anschein hatte, als hätten sich die Knospen erst vor Kurzem und nicht schon allmählich im Winter entfaltet. Von der Viola odorata, die in
80 Die Inseln nach ihrer äussern Erscheinung geschildert.
Madeira durch das ganze Jahr hindurch blüht, giebt Seubert an, dass sie im Juni reife Kapseln hatte. Die Walderdbeeren, die schon zu Ende April und zu Anfang Mai in grosser Fülle auf den Markt von Funchal gebracht werden, fand ich hier an den Bergen der verschiedenen Inseln im Juni und Juli mit reifen Früchten bedeckt. Kurz es widersprechen die im Sommer gemachten Beobachtungen und die in der Flora azorica enthaltenen Angaben keineswegs der durch den Unterschied in den klimatischen Verhältnissen angeregten An- nahme, dass die echt indigene Flora der Azoren in demselben Maasse erst ent- schiedener im Frühjahr erblüht, als sie sich in ihren Formen weniger von dem Typus europäischer Arten unterscheidet.
Die in Europa verbreiteten Bäume und Sträuche blühen und belauben sich auf den Azoren in der Nähe der Küsten bis zu einer Höhe von 500 Fuss oberhalb des Meeres, etwa um dieselbe Zeit wie diejenigen , die in Madeira höher hinauf an den Abhängen wachsen. Zu dieser Annahme berechtigt die äussere Erscheinung, welche diese Gewächse bald nach meiner Ankunft auf S. Miguel während der ersten Ausflüge darboten. Pfirsiche, Birnen oder Fei- gen, die wie in Madeira und auf den Oanarien während des Winters gereift waren, fand ich daselbst nicht vor. Dagegen waren nicht nur an den südlichen sondern auch an den nordwestlichen Küstenstrichen von Pico die ersten Apri- kosen, Zwetschgen und Feigen bereits vor der Mitte des Monat Juli, also sehr zeitig im Sommer, reif. An den meisten Bäumen wurde jedoch das Obst erst später abgenommen.
Von den in Europa verbreiteten jährigen Kräutern kommen auf den Azoren gewiss manche, wie das ja schon an den europäischen Küsten des Mit- telmeers nicht gerade selten der Fall ist, auch während des Winters fort. Allein - allem Anschein nach entfalten sich dieselben so wie in Madeira und in Europa nach der Zahl der Arten und der Individuen vorherrschend in der Jahreszeit, in welcher das Getreide und die übrigen Feldfrüchte am besten gedeihen. Nun lässt sich aber aus den früher geschilderten klimatischen Verhältnissen abneh- men, dass die Saatzeit auf dieser Inselgruppe selbst an den tiefer gelegenen Abhängen vorherrschend erst nach beendetem Winter bei hereinbrechendem Frühjahr eintreten muss. Denn einestheils ist die Witterung während des Winters verhältnissmässig stürmisch, rauh und ungemein regnerisch, und anderntheils dauern die das Wachsthum der Feldfrüchte befördernden Feuch- tigkeitsniederschläge während des Frühjahrs bis in den Sommer fort. Ich fand deshalb auf S. Miguel in der zweiten Hälfte des Monat April, während die Landleute noch hier und dort mit der Bestellung der Felder beschäftigt waren, überall frisch aufgegangene Saaten. Lupinen, die im November gesät und etwa einen Fuss hoch aufgewachsen waren, wurden als Gründüngung untergepflügt. Der ausgedehnte niedere Küstenstrich, der sich an den südwestlichen Gehängen
3. Die Pflanzenwelt. 81
des Gebirgszuges der Insel Santa Maria sanft abdacht, bietet bei übereinstim- menden Bodenverhältnissen Standorte wie diejenigen, an welchen auf Porto Santo zu Ende April und Anfang Mai die Gerste geerntet wird und der Weizen nur noch eine kurze Zeit bis zur vollkommenen Reife bedarf. In dem Klima der Azoren reifte an solchen Oertlichkeiten die Gerste in den ersten Tagen des Juni, während der Weizen in Aehren und Blüthen stand. In Graciosa war man auf den wärmsten Küstenstrichen in der Zeit vom 18. bis 21. Juli allgemein mit der Weizenernte beschäftigt, die auf Terceira an den Nordküsten in der ersten Hälfte des August stattfand. In demselben Monate sind auf S. Miguel die grossen Bohnen der Vicia faba reif, die von dort aus in grosser Menge verschifft werden , und in den letzten Tagen des August hatte ebenda- selbst die Maisernte bei Ponta delgada und in den Umgebungen bis zu einer Höhe von etwa 500 Fuss oberhalb des Meeres begonnen.
Von den drei Inselgruppen tragen also die Azoren nach den klimatischen Verhältnissen so wie nach der Zusammensetzung und jährlichen Entwickelung der indigenen und eingeführten Flora am meisten ein europäisches Gepräge. Mehr noch als der Unterschied in der mittleren Wärme scheiden die durch Vertheilung der Regenmenge und der Stärke des Windes hervorgerufenen "Witterungsverhältnisse die Jahreszeiten insoweit von einander, dass die in Europa verbreiteten Gewächse selbst an den tiefer gelegenen Küstenstrichen erst vom Frühjahr an aufschiessen, erblühen oder sich belauben. Wenn Aus- nahmen von dieser Regel ungeachtet der insularen Gleichmässigkeit des Klima’s und der Milde der kühleren Jahreszeit kaum häufiger und in grösserem Um- fange als im südlichen Europa vorkommen, so ist das ebenfalls dem jährlichen Verlauf der Witterung